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Europa 2035: 50 Trends, die den Europäischen Lebensmittelsektor beeinflussen werden

Im Rahmen des EU Horizon 2020 Projekts „FOX“ untersucht das Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI zukünftige Trends, die den Europäischen Lebensmittelsektor beeinflussen werden.

Was werden wir essen? Wo werden wir unsere Einkäufe machen? Wie können wir Lebensmittel mit weniger Ressourcen produzieren? Wer kann am meisten von neuen Trends profitieren? Welche Branchen werden die Lebensmittelindustrie beeinflussen? Wie wird der Lebensmittelsektor aussehen? Diese Fragen haben sich die ForscherInnen des EU Horizon 2020 Projekts „FOX“ gestellt, um daraus die 50 überzeugendsten Trends abzuleiten. In der Broschüre „trends to go“ wurden sie nun veröffentlicht, sieben Trends werden besonders hervorgehoben.

1. Vooking – vegan – gluten free

Die Zahl an vegan/vegetarisch lebenden Menschen steigt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe wie Nachhaltigkeit, Gesundheit oder Kulinarik. Auch die glutenfreie Ernährung wird immer interessanter. Das Projekt VOOKING will ein neues Küchendesign entwickeln, das einen positiven Einfluss auf die Zukunft von Ernährung und Kochen haben soll. Auch wenn aus gesundheitlicher Sicht für Menschen ohne Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie keine Notwendigkeit einer glutenfreien Ernährung besteht, handelt es sich dennoch um einen Lifestyle-Boom, den Produzenten berücksichtigen müssen.

2. Local food circles

Damit ist ein neuartiger Nahrungsmittelkreislauf gemeint, der den Anbau nachhaltiger, sicherer und regionaler Lebensmittel fördern soll. In der Praxis sollen die Akteure über alle Produktions-, Konsum- und Entsorgungsvorgänge enger zusammenarbeiten. Laut diesem Konzept berücksichtigt ein funktionierender Nahrungsmittelkreislauf materielle, geografische, soziokulturelle und politische Ebenen. Dadurch soll die Rückverfolgbarkeit und Frische von Lebensmitteln optimiert, Verpackungen reduziert und die Beziehung zwischen Landwirten und Verbrauchern verbessert werden. Food Cirlces verlagern die Lebensmittelproduktion von zentralen Strukturen hin zu dezentralen, teilweise autonomen Systemen.

3. Changing food systems

Durch das Bevölkerungswachstum steigt die Nachfrage nach Agrarerzeugnissen, dies fördert landwirtschaftliche Aktivitäten. Zudem erfordert die Urbanisierung, dass Lebensmittel leichter gelagert und transportiert werden können. Dadurch rückt die Lebensmittelverarbeitung in den Vordergrund bei der Umgestaltung von Lebensmittelsystemen. Grund ist die Standarisierung der landwirtschaftlichen Produktion sowie in vielen Fällen die Lokalisierung der Primärproduktion und Stärkung der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

4. Sustainable production and value chains

Eine Wertschöpfungskette besteht aus allen Produktions-, Verbrauchs- und Entsorgungs-/ Recyclingprozessen bestimmter Produkte und Dienstleistungen. Typischerweise beginnt die Analyse der Wertschöpfungskette bei der Rohstoffbeschaffung und endet mit der Abfallwirtschaft, wobei die Aktivitäten von Lieferanten, Herstellern, Händlern, Verbrauchern und anderen Akteuren berücksichtigt werden. „Zirkuläre Wertschöpfungskettenmodelle“ stellen traditionelle Konzepte in Frage durch die Eliminierung "vor- und nachgelagerter" Konzepte und das Verständnis der Wertschöpfung über das Spektrum der Interaktionen und des Austauschs eines Netzwerks hinweg. Materialien werden wiederverwendet oder recycelt, um den Abfall zu reduzieren.

5. Food losses and waste

Weltweit wird rund ein Drittel aller Lebensmittel im Zuge der Produktion, nach der Ernte, in der Verarbeitung, im Einzelhandel oder beim Endverbraucher weggeworfen. In Industrieländern ist die Menge etwa zehnmal so hoch im Vergleich zu Entwicklungsländern. In Anbetracht dessen, dass Millionen Menschen auf der Welt hungern müssen, deutet dies auf eine Ineffizienz der aktuellen Ernährungssysteme. Die hohen Verluste und die Verschwendung von Lebensmitteln führen zu einem Anstieg der Preise für die VerbraucherInnen, da wirtschaftliche Verluste für Landwirte und andere AkteurInnen innerhalb der Lebensmittelwertschöpfungskette ausgeglichen werden müssen. Durch Verluste oder teure Nahrungsmittel entstehende Nahrungsmittelknappheit betrifft dabei besonders Menschen in Entwicklungsländern. Durch eine Verringerung der Lebensmittelverschwendung könnten das Lebensmittelangebot erhöht und die globale Ernährungssicherheit gestärkt werden.

6. Climate Change

Die Auswirkungen des Klimawandels dürften in Ländern mit niedrigem bis mittleren Einkommen am höchsten sein, da die Menschen dort stärker von der Landwirtschaft abhängig und eher von Nahrungsmittelknappheit betroffen sind. Gerade der Fleischkonsum hat massive Auswirkungen auf das Klima. 2015 erkannten die Staats- und Regierungschefs der Welt die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel. Unter der Schirmherrschaft des Klimarahmenabkommens der Vereinten Nationen (UNFCCC) konnte das Pariser Übereinkommen über den Klimawandel ausgehandelt werden. Dieses soll „die grundlegende Priorität der Gewährleistung der Ernährungssicherheit und Beendigung des Hungers sowie die besondere Anfälligkeit der Nahrungsmittelproduktionssysteme für negative Auswirkungen des Klimawandels“ anerkennen.1

7. Sustainable Protein Alternatives

Vielfältige Anpassungen des Ernährungssystems sind essenziell, um den Proteinbedarf von schätzungsweise 10 Milliarden Menschen bis 2050 auf umfassende, nachhaltige, gesunde und nahrhafte Weise zu decken und gleichzeitig die Klimaschutzziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Zurzeit gibt es drei Möglichkeiten: Entwicklung alternativer Proteinquellen, Änderung bestehender Produktionssysteme und Veränderungen im Verbraucherverhalten. Eine besondere Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang der Fleischverzehr dar. Der Pro-Kopf-Verzehr liegt in Europa bei rund 65 kg pro Jahr, Tendenz steigend. Es ist nahezu unmöglich, dass 10 Milliarden Menschen diese Menge Fleisch essen, weil dafür zu viel Land und Wasser erforderlich sind und zu untragbaren Treibhaus- und anderen Schadstoffemissionen führen. Unternehmen entwickeln ständig innovative alternative Proteinquellen, deren extrem steigende Absatzrate die Nachfrage und Kundenakzeptanz dieser Lebensmittel belegt.

Weitere Food Trends beschäftigen sich u. a. mit folgenden Themen:

  • Personalized Nutrition
  • steigende Marktmacht des Einzelhandels
  • Digitalisierung
  • mehr Transparenz in der Lieferkette
  • Zusammenführung der Lebensmittel- und Gesundheitsmärkte
  • Do-it-yourself statt Serienfertigung
  • zunehmende Zivilisationskrankheiten
  • essbare Lebensmittelverpackungen
  • 3D-Lebensmitteldrucker
  • künstliche Intelligenz und Machine-learning

1Die gerade zu Ende gegangene Klimakonferenz in Madrid lieferte nur wenige Ergebnisse. Zwar wurde an alle Staaten appelliert, die Ziele des Pariser Abkommens weiterhin zu verfolgen, , jedoch blieben andere wichtige Themen ergebnislos. Nicht geklärt wurde die Problematik von Schlupflöchern im Emissionshandel oder die finanzielle Entschädigung der besonders vom Klimawandel betroffenen Ländern. Diese wurden auf die COP26 im Dezember 2020 in Glasgow vertagt


Quelle:

Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI – 50 Trends influencing Europes Food Sector

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