Zukunftsforschung: Food-Trends in der Krise
- 03.02.2021
- News
- Redaktion
Soft Health
Der deutliche Anstieg beim Konsum von Frischobst (nach Teigwaren und Konserven die drittplatzierte Produktgruppe, die mehr eingekauft wird als vor der Corona-Krise), die größere Beliebtheit von Gemüsekistenlieferungen aus Bio-Anbau (die Nachfrage ist in Deutschland und Österreich im Zuge der Corona-Krise massiv angestiegen – manche Anbieter sprechen von 50–60 %) und nicht zuletzt das deutlich veränderte Kochverhalten – das alles sind starke Lebenszeichen des auch in der Krise anhaltenden Trends hin zu Soft Health (erstmals beschrieben im Food Report 2015).
Der Trend Soft Health basiert auf einem ganzheitlicheren Verständnis von gesunder Ernährung, das nicht mehr primär nährstoff- und energiebezogen ist. Anstatt „Probleme“ (Zucker, Fett, Salz etc.) in den Vordergrund zu stellen und auf einzelne, als „ungesund“ wahrgenommene Lebensmittel und Zusatzstoffe zu fokussieren, geht es um Ausgewogenheit, Vielfalt und um Speisen mit einem hohen Anteil an Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreideprodukten.
Snackification
Der Wandel von einer traditionellen zu einer modernen Esskultur, in der nicht mehr die drei Hauptmahlzeiten den Alltag strukturieren, wurde schon im Food Report 2020 unter dem Begriff Snackification analysiert. Vor allem Vertreter der neuen urbanen und mobilen Mittelklasse läuteten damit das Ende der Mahlzeiten (wie wir sie kennen) ein – und legten ein immer flexibleres, spontaneres und individuelleres Essverhalten an den Tag.
Diese Entwicklung wurde mit dem Lockdown seit März 2020 abrupt unterbrochen. In der häuslichen Quarantäne gewannen klassische Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) – zumindest vorübergehend – wieder ihre alte strukturgebende Funktion. Eine Rückkehr ins kulinarische Biedermeier und eine Renaissance der Drei-Gänge-Menüs ist damit im Alltag aber nicht automatisch verbunden. Die im Zuge des Lockdown boomenden Take-away- und Delivery-Dienste werden sich auch in Zukunft an den Mini-Mahlzeiten-Formaten orientieren: kleinere Portionen, die individuell kombiniert werden können.
DIY Food & Gourmet Gardening
Die Trends zum DIY Food und Gourmet Gardening (beschrieben im Food Report 2014) haben mit der Krise neuen Schwung bekommen: Stay-at-Home und der Shutdown in der Gastronomie führten zwangsläufig zu mehr Do-it-yourself in der eigenen Küche und zum Anbau von Kräutern, Salaten und Gemüsen auf Balkonen, Fensterbänken oder in Gärten.
Fotos von selbst zubereitetem Essen füllen die Social-Media-Kanäle, um der Krise auch symbolisch zu trotzen und das Banner des Genießens hochzuhalten. Rezepttauschbörsen, Koch- und Einmachanleitungen im Internet werden auch jenseits der Foodie-Szene verstärkt genutzt. Das Prädikat „hausgemacht“, für manches jetzt nur aus der aktuellen Not verliehen, kann die Krise überleben. Denn sich selbst als Macher zu erleben und kleine Erfolge zu feiern, motiviert viele Menschen. Und mitunter entstehen daraus auch nach der Krise wieder neue Geschäftsideen.
Meet Food
Immer mehr Menschen wollen Lebensmittel nicht nur „verbrauchen“, sondern „erleben“. Auf das wachsende Interesse, Herstellung und spezifische Qualität auch sinnlich erfahren zu können, reagieren viele ProduzentInnen mit neuen Angeboten, um ihre handwerkliche Meisterschaft zu zeigen und die Qualität ihrer Erzeugnisse anschaulich zu vermitteln (vgl. Food Report 2018). Das beginnt für KonsumentInnen beim Einkauf auf dem Wochenmarkt, ab Hof, beim Bäcker, Metzger oder in Feinkostläden, wo sie reden, riechen, probieren oder die Atmosphäre der Produktionsstätte einfangen können. Und es reicht bis zur Teilnahme an Back-, Wurst- und Käseworkshops, bei denen sie selbst tätig werden können.
Letztere legen nun zwar eine krisenbedingte Pause ein, dafür boomen Online-Back- und Kochanleitungen. Und wer es mit dem Brotbacken im Stay-at-Home-Modus Schritt für Schritt selbst zur Meisterschaft gebracht hat, wird künftig auch die Brotqualität in der Bäckerei besser beurteilen können und wertzuschätzen wissen.
Local Food
Der vermehrte Konsum regionaler Lebensmittel und die Reorientierung an regionalen Speisen und Rezepturen sind die Trend-Antwort auf die Globalisierung unseres Ernährungssystems und die damit einhergehende Anonymisierung der aus aller Welt stammenden Nahrungsmittel. Implizit bezieht sich dieser schon lange anhaltende Trend nicht nur auf die geografische Nähe zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen, sondern auch auf soziale und qualitative Merkmale im Hinblick auf Vertrieb und Produktion, die vielfach auch mit biologischen Lebensmitteln assoziiert werden.
In der Corona-Krise erleben wir, wie v. a. LandwirtInnen und innovative regionale Gemüsebetriebe verstärkt auf den Trend setzen und offensiv mit Online-Services und Direct-Delivery potenzielle KundInnen ansprechen.
Quelle:
Rützler H: Food-Trends: Was bleibt und was sich ändern wird. Zukunftsinstitut. Pressemeldung (last accessed on 21 January 2021).