Gesundheitsforschung: Die Rolle des Darms bei Diagnose und Therapie von Erkrankungen
- 03.03.2021
- News
- Anna Sidorenko
Das enterische Nervensystem (ENS), welches umgangssprachlich auch als „Bauchhirn“ bezeichnet wird, macht den größten Teil des peripheren Nervensystems aus und ähnelt in seinen Komponenten und Funktionen dem zentralen Nervensystem. Die bedeutsame Rolle des Darmnervensystems ist bei angeborenen, nervenbedingten Störungen wie Morbus Hirschsprung gut bekannt – bei systemischen Erkrankungen jedoch weniger. Hinweise auf ein gestörtes ENS gibt es bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose, der Alzheimer-Krankheit, der Multiplen Sklerose und der Parkinson-Krankheit sowie bei neurologischen Entwicklungsstörungen wie dem Autismus. In der Übersichtsarbeit konzentrieren sich die AutorInnen auf Aspekte von Erkrankungen, bei denen dem ENS bisher keine große Rolle zugeschrieben wurde.
Gemeinsam mit WissenschaftlerInnen der Universitäten Heidelberg und Bonn sowie der TU München hat Prof. Schäfer viele wissenschaftliche Studien nach Belegen durchforstet, welche die Rolle des Darms für die Entstehung und Behandlung diverser Krankheiten zeigen sollen. In der Übersichtsarbeit plädieren die WissenschaftlerInnen für eine ganzheitliche Herangehensweise und dafür, ein noch stärkeres Augenmerk auf die Rolle des Darms auch bei systemischen Krankheiten zu legen. Der Darm wäre demnach nicht nur prädestiniert z. B. für die Frühdiagnose neurodegenerativer Erkrankungen, sondern auch für die Bekämpfung vieler Krankheiten, die nach heutigem Stand oft erst diagnostiziert werden, wenn eine Heilung ausgeschlossen ist und die Behandlung Symptome nur mildern oder den Krankheitsverlauf hinauszögern kann. Vor allem aber könnten essenzielle Hinweise für die Vorbeugung dieser Erkrankungen gegeben werden.
Das ENS moduliert und reguliert die Darmbarrierefunktion und wirkt auf das Gleichgewicht der den Darm betreffenden Körperfunktionen. Die Daten geben Hinweise, dass Veränderungen im Darmmikrobiom im Zusammenspiel mit dem individuellen genetischen Hintergrund das ENS, das zentrale Nervensystem und das Immunsystem modifizieren, die Barrierefunktion beeinträchtigen und zu verschiedenen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom, entzündlichen Darmerkrankungen oder Neurodegeneration beitragen können. „Die Rolle des ENS in der menschlichen Gesundheit und bei Krankheiten wurde bisher weitgehend vernachlässigt und gastrointestinale Symptome wurden übersehen“, so Schäfer.
Die AutorInnen fassen den aktuellen Forschungsstand über die Rolle des ENS bei gastrointestinalen und systemischen Erkrankungen zusammen und beleuchten seine Interaktion mit verschiedenen Schlüsselakteuren, die an der Gestaltung der Krankheitsmerkmale beteiligt sind. Hierbei sei die Berücksichtigung von ENS-bedingten Magen-Darm-Symptomen für die Früherkennung verschiedener Krankheiten, z. B. der Parkinson-Krankheit, von Bedeutung und eine frühzeitige gezielte Intervention könnte nach Überzeugung des Forschungsteams die Symptome verbessern und die Krankheit möglicherweise sogar verhindern. Weiterhin geben die Daten Hinweise, dass das ENS eine wesentliche Rolle bei Krebserkrankungen oder metabolischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus spielen könnte.
Quelle:
E. Grub, Hochschule Kaiserslautern: Die Rolle des Darms bei Diagnose und Therapie von Erkrankungen, Pressemitteilung vom 03.02.2021 (last accessed on 2. March 2021).