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Aktuell in Heft 10: Ernährung bei Neurodermitis (atopische Dermatitis)

  • 02.11.2022
  • News
  • Redaktion

Hauterkrankungen werden häufig mit dem Ernährungsverhalten in Verbindung gebracht. Dabei sind Lebensmittelunverträglichkeiten nur selten und bei einem geringen Teil der von atopischer Dermatitis (Neurodermitis) Betroffenen für Hautreaktionen verantwortlich. Im aktuellen Heft 10 widmet sich Frau Dr. Imke Reese häufigen Mythen zur Rolle der Ernährung bei atopischer Dermatitis und stellt diesen den aktuellen Stand der Forschung gegenüber.

Nahrungsmittelallergene und -unverträglichkeiten sowie verschiedene Lebensmittelsubstanzen werden seit jeher als mögliche Faktoren diskutiert, die Einfluss auf das Hautbild einer atopischen Dermatitis (AD) nehmen können. Auch wenn 40 % der moderat bis schwer von atopischer Dermatitis Betroffenen gleichzeitig unter einer Nahrungsmittelallergie leiden, führen allergische Reaktionen nur bei einem geringen Teil dieser PatientInnen zu Verschlechterungen des Hautbildes. Die therapeutische Bedeutung der Ernährung wird oftmals überschätzt. Umgekehrt werden der wichtige Stellenwert einer adäquaten Hautpflege und eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie zu wenig berücksichtigt. Da Eliminationsdiäten grundsätzlich das Risiko von Mangel- und Fehlernährung bergen und die Lebensqualität mindern, sollte jede Form der Einschränkung sorgfältig abgewogen werden.

Mythos Nr. 1: Meiden hilft, um Allergien zu verhindern
Von einer vorbeugenden Meidung von bestimmten Lebensmitteln und vermeintlichen Allergenen ist grundsätzlich abzuraten. Denn eine Toleranz kann nur für Bekanntes entstehen. Durch regelmäßigen Verzehr von bestimmten Lebensmitteln und vermeintlichen Allergenen kann eine Toleranz aufrechterhalten werden. Gemäß der aktualisierten S3-Leitlinie Allergieprävention sollten demnach einige Empfehlungen, die das kindliche Immunsystem gut in Richtung Toleranzentwicklung vorbereiten, berücksichtigt werden. Diese lauten u. a. die Beikost zur Gewöhnung an die Familienkost zu nutzen und eine vielseitige, gemüsebetonte Ernährung aus allen Lebensmittelgruppen zu bevorzugen.

Mythos Nr. 2: Meiden von häufigen Nahrungsmittelallergie-Auslösern hilft, um Schüben bei bestehender AD vorzubeugen
Diese nicht wissenschaftlich belegbaren Ansätze beruhen meist darauf, häufige Auslöser und damit ganze Lebensmittelgruppen wie Milch- und Milchprodukte oder Eier sowie Nüsse pauschal zu eliminieren, um Hautverschlechterungen vorzubeugen. Dies steht im Gegensatz zu den Leitlinienempfehlungen, die für eine therapeutische Meidung eine individuelle, fundierte Diagnostik und eindeutig identifizierte Trigger vorsehen. Bevor eine Meidungsempfehlung zur Vorbeugung gegen Schübe ausgesprochen werden darf, muss der allergische Trigger als solcher diagnostiziert werden und es müssen die Vor- und Nachteile einer solchen Diät sorgfältig abgewogen werden. Denn jede Einschränkung bedeutet Verlust an Vielfalt und Teilhabe. Der Leidensdruck durch die Diät darf nicht höher sein als der Leidensdruck der Erkrankung.

Mythos Nr. 3: Meiden von Histamin, Zusatzstoffen, Salizylaten und Zucker hilft, um die Haut zu entlasten
Neben den genannten Pauschalempfehlungen zur „vorbeugenden“ Meidung häufiger Auslöser von Nahrungsmittelallergien wird auch für andere Lebensmittel oder Lebensmittelinhaltsstoffe häufig ein Pauschalverbot ausgesprochen. Dazu zählen am häufigsten Histamin, Zusatzstoffe und Zucker. Der Verzicht auf diese Substanzen soll ebenfalls Hautverschlechterungen vorbeugen. Auch diese Pauschalmeidung ergibt v. a. dann keinen Sinn, wenn wissenschaftlich kein Mechanismus beschrieben ist, über welchen eine Irritation der Haut vermittelt werden könnte. In der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) wird die Rolle von Histamin, Zucker und Zusatzstoffen als potenzieller Auslöser von Reaktionen deutlich hinterfragt, da die Datenlage zu nicht-allergenen Triggern bei atopischen Erkrankungen so dünn ist, dass sich eine Meidung nicht rechtfertigen lässt.

Mythos Nr. 4: Meidung ist die therapeutische Konsequenz aus einem Sensibilisierungsnachweis
Durch eine gestörte Hautbarriere kommt es bei einer AD vermehrt zu Sensibilisierungen auf harmlose Substanzen aus der Umwelt, inkl. Lebensmitteln. Testergebnisse müssen daher immer mit der Klinik abgeglichen werden. Das ist aber bei Vorliegen einer AD nicht immer einfach, da aus der Anamnese häufig Zusammenhänge beschrieben werden, die sich durch ein Neurodermitis-Tagebuch nicht bestätigen lassen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit für eine falsch-positive Interpretation sehr hoch. Von Meidungsempfehlungen ohne klinische Relevanz ist abzuraten, weil sie eine vorhandene Toleranz gefährden können. Liegt jedoch eine klinische Symptomatik vor, wird eine Eliminationsdiät als therapeutisch sinnvoll und notwendig erachtet. In dem Fall ist eine professionelle Ernährungstherapie durch eine Ernährungsfachkraft unabdingbar. Ziele der Ernährungstherapie sind es, die allergischen Soforttyp-Symptome zu vermeiden, die Hautsymptomatik zu begrenzen und zugleich vorhandene Toleranzen zu bewahren.

Die detaillierten Ergebnisse zur Rolle der Ernährung bei atopischer Dermatitis lesen Sie im Original-Beitrag in Ernährungs Umschau 10/2022.

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