DGVS: Aktualisierte Leitlinie zum Reizdarmsyndrom
- 06.07.2020
- News
- Dr. Sabine Schmidt
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat nun die bestehende S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms überarbeitet. Grund dafür ist, dass in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse, z. B. zur Bedeutung der sog. Darm-Hirn-Achse und des Mikrobioms, gewonnen wurden. Diese sind zum großen Teil schon in unserem zweiteiligen Fortbildungs-Beitrag zum Thema Reizdarmsyndrom in Ernährungs Umschau 12/2018 (Teil 1) und 02/2019 (Teil 2) beschrieben.
Die wichtigsten Neuerungen der Leitlinie wurden in der digitalen Jahrespressekonferenz der DGVS am 23.06. wie im Kasten aufgeführt vorgestellt.
Wichtige Neuerungen der S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom
1) Pathophysiologie:
Es wurden eine Vielzahl neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Pathophysiologie des RDS eingearbeitet.
2) Diagnostik:
Schwerpunkt weniger auf Diagnoseverfahren, sondern eher auf wichtigen Differentialdiagnosen, die in Abhängigkeit der vorherrschenden Symptome ausgeschlossen werden müssen. Aufteilung in
a. „Allgemeine Diagnostik“
b. Spezielle Diagnostik für
- Ernährung (deutlich umfangreicher als in der letzten Leitlinie, u. a. Aufnahme der Themen Gluten-Sensitivität und Histamin-Intoleranz; negative Empfehlung für wissenschaftlich nicht etablierte Immunglobulin G (IgG)-basierte Tests für Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten; Warnung vor unnötigen/problematischen Eliminationsdiäten)
- Mikrobiom (u. a. negative Empfehlung für eine „Stuhlanalyse auf Dysbiose“)
- Psyche
3) Therapie:
Aufteilung in allgemeine symptomunabhängige Therapieverfahren und symptomorientierte medikamentöse Behandlungen.
a. Symptomunabhängige Therapieverfahren:
- Allgemeinmaßnahmen
- Ernährung in der Therapie des Reizdarmsyndroms: deutlich umfangreicher als in der letzten Leitlinie, Empfehlung der Low-FODMAP-Diät als mögliche Therapieoption
- Psyche in der Therapie des Reizdarmsyndroms (deutlich umfangreicher als in der letzten Leitlinie)
- Mikrobiom in der Therapie des Reizdarmsyndroms: Präbiotika, Probiotika (positive Empfehlung und Aktualisierung der Studienlage), Antibiotika (neu: Empfehlung für Rifaximin in anderweitig Therapie-refraktären Fällen des nicht-obstipierten RDS), fäkaler Mikrobiomtransfer (neu aufgenommen; keine Empfehlung)
- nicht-symptomspezifische medikamentöse Therapie (keine positiven Empfehlungen)
- komplementäre Therapie (deutlich umfangreicher als in der letzten Leitlinie)
- chirurgische Therapie
b. Medikamentöse symptomorientierte Therapien:
- Diarrhoe: neu aufgenommen: Colesevalam und Eluxadolin, stärkere Empfehlung für 5-HT3-Antagonisten
- Obstipation: stärkere Empfehlung für Makrogol, positive Empfehlungen für Prucaloprid und Linaclotid
- Schmerzen: stärkere Empfehlung für Spasmolytika und spezifische Nennung von Pfefferminzöl; Antidepressiva: v. a. positive Empfehlung für trizyklische Antidepressiva, SSRI eher bei psychischer Begleitproblematik
4) Weitere Neuerungen der Leitlinie:
a. RDS bei Kindern in einem gänzlich separaten Kapitel
b. Wirksamkeitstabellen zur Effektivität der Therapieverfahren in den jeweiligen RDS-Subtypen und Auflistung wichtiger Informationen wie Nebenwirkungen, Zulassungsstatus u. ä.
c. Kommentare zu RDS-Schweregraden und Versorgungsstrukturen
d. Aufnahme der Rom-IV-Kriterien in den Appendix
Hier kann die Leitlinie auf den Internetseiten der DGVS heruntergeladen werden. Zurzeit ist noch eine Konsultationsfassung online, die endgültige Fassung wird demnächst zur Verfügung stehen.
Über die Neuerungen wird die Ernährungs Umschau, sobald die Leitlinie offiziell zur Verfügung steht, ausführlicher berichten.
Quelle:
Pressemappe zur Online Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Dienstag, 23. Juni 2020, 15.00 bis 16.00 Uhr.