Die Afrikanische Schweinepest und Coronafälle unter Schlachthofmitarbeitenden haben Ende des Jahres zu einem Stau von schlachtreifen Schweinen in den Betrieben geführt. © Serbogachuk/iStock/GettyImages

Landwirtschaft: Schweine „stauen“ sich in Mastställen

  • 08.02.2021
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  • Redaktion

Die deutschen Schweinehalter stehen vor großen Problemen. In der Corona-Krise hat der Überhang an schlachtreifen Tieren, die nicht vermarktet werden können, erneut zugenommen. Derzeit drängen sich knapp eine Million Schweine in deutschen Schweinemastbetrieben – unter katastrophalen Bedingungen und mit weitreichenden Folgen.

Die Schweinewirtschaft ist in Deutschland genau durchgetaktet: Schweine nehmen pro Tag bis zu 700 g zu und sind wenige Tage nach Ablauf ihrer vorgesehenen Mastzeit bereits zu schwer und groß für den für sie vorgesehenen Platz. Weiterhin führt die Überbelegung der Ställe dazu, dass sich die Tiere nicht angemessen beschäftigen können. Laut Deutschem Tierschutzbund führen die schlechten Bedingungen zu Stress, Verhaltensstörungen, Aggressionen bis hin zu Kannibalismus unter den Tieren.
Zu dieser zurzeit fast ausweglosen Situation haben mehrere Faktoren beigetragen: Zum einen kommen die Schlachthöfe wegen Corona-Fällen unter ihren Beschäftigten nicht hinterher. Zum anderen nehmen die sonst wichtigen Importeure China und Korea noch immer kein deutsches Schweinefleisch ab. Grund für die eingebrochene Nachfrage aus dem Ausland ist der Ausbruch der afrikanischen Schweinepest in Brandenburg und Sachsen Ende 2020. Deutsche Schlachtbetriebe arbeiten aufgrund der Corona-Krise zurzeit nur mit 80 % Auslastung – Krankheitsausfälle und Ausbrüche in Schlachthöfen verringern immer wieder die Kapazitäten und der Shutdown der Gastronomie sowie das Fehlen von Festen und Veranstaltungen mindern die Nachfrage, fasst Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) die aktuelle Lage zusammen.

Die fehlenden Schlachtkapazitäten und die eingebrochene Nachfrage bringen Schweinezüchter wie -mäster in Not. Erstere machen mit den erzeugten Ferkeln, die nicht abgenommen werden, ein für sie wirtschaftlich bedrohliches Verlustgeschäft mit der Folge, dass Betriebe aufgrund der niedrigen Nachfrage aufgeben müssen. Bei Letzteren stauen sich die Schweine, was zu fatalen und mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbarenden Engständen in den Ställen führt.

Die Krise dauere noch Monate an, denn der Überhang an Schweinen werde sich nicht so schnell abbauen lassen, so Otte-Kinast.
Ein Trugschluss wäre zu denken, der Rückgang schweineerzeugender Betriebe sei angesichts des Klimawandels und für einen gewünschten geringeren Verzehr von Fleisch etwas Gutes. Denn sobald die Nachfrage nach der Corona-Krise wieder steigen wird, werden wieder Ferkel gebraucht – und dann aus Ländern importiert, deren Tierschutzbedingungen nicht besser, aber schwerer zu kontrollieren sind als die in Deutschland.

In der Krise werden daher Forderungen nach einem Systemwandel laut. Schweinestau und Pandemie könnten eine Chance sein, neu über Landwirtschaft nachzudenken, so Otte-Kinast. Die Landwirtschaftsministerin fordert zum Umdenken auf: „Wir sollten uns fragen, ob weiter so stark für den Weltmarkt produziert werden muss. Höher, schneller, weiter – das ist das Motto der Landwirtschaft, so läuft die Förderung. Der Schweinestau zeigt, dass wir dieses Prinzip prüfen müssen, auch als Verbraucher. Dann braucht es aber eine Ernährungswende, um das Essverhalten zu ändern.“

Sehen Sie sich hierzu auch die Infografik „Wie viel Platz hat ein Schwein im Stall?“ in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 03/2019 an.


Quellen:
Nico Schnurr: Landwirtschaft in der Krise – Schweinehalter in Not. Weser Kurier online, Pressemitteilung vom 25.01.2021.
Nico Schnurr: Niedersachsens Agrarministerin im Interview – „Es braucht eine Ernährungswende“. Weser Kurier online, Pressemitteilung vom 25.01.2021.
„Schweine-Stau“: Schweine- und Ferkel-Preis auf Rekordtief. NDR online, Pressemitteilung vom 13.01.2021.

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