Zahlreiche Untersuchen zeigen mittlerweile, dass Süßstoffe im menschlichen Körper zahlreiche physiolgische Wirkungen haben. © nensuria/iStock/Getty Images Plus

Ernährungsforschung: Süßstoffe können das Mikrobiom verändern und den Blutzuckerspiegel erhöhen

  • 10.04.2023
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  • Redaktion

Naschereien, wie Schokoladeneier, Zuckerhasen oder Biskuitkuchen in Lammform gehören zum Osterfest dazu. Da ein übermäßiger Zuckerkonsum bekanntlich eng mit der Gewichtszunahme korreliert, werden immer mehr Produkte im Lebensmittelhandel mit Süßstoffen wie Sucralose oder Aspartam, statt Haushaltszucker gesüßt. Jedoch mehren sich die Hinweise, dass von diesen Substanzen ebenso ein Gesundheitsrisiko ausgeht, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).

Auf Dauer ist ein hoher Süßkonsum bekanntlich ungesund – dies gelte allerdings auch für Diätprodukte mit Süßstoffen, wenn sie dauerhaft konsumiert werden, wie die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) mitteilt. „Dabei ging man lange Zeit davon aus, dass diese Substanzen nicht nur kalorienfrei sind, sondern sich im Körper überhaupt völlig neutral verhalten“, sagt PD Dr. med. Birgit Terjung, Chefärztin der Abteilung Innere Medizin der GFO Kliniken Bonn und Vorstandsmitglied der DGVS.
Zahlreiche Untersuchungen, zeigen aber mittlerweile, dass auch Süßstoffe den Körper nicht spurlos durchqueren.
Besonders detailliert wurde die physiologische Wirkung von Zuckerersatzstoffen im menschlichen Organismus in einer israelischen Studie des Weizmann-Instituts untersucht, die kürzlich im Fachjournal „Cell“ publiziert wurde [1]. In dieser ersten großen Studie an Menschen verabreichten Eran Elinav et al. den Proband*innen jeweils einen der vier Süßstoffe in geringen Dosierungen: Saccharin, Sucralose, Aspartam und Stevia. Während der zweiwöchigen Einnahme dokumentierten sie mögliche Veränderungen des Stoffwechsels sowie den Effekt der Süßstoffe auf die Zusammensetzung und die Funktion des Mikrobioms.
Dabei wiesen Saccharin und Sucralose starke Auffälligkeiten bei der glykämischen Antwort auf. Die regelmäßig durchgeführten Glukose-Toleranztests zeigten, dass die Süßstoffe bei den Proband*innen einen Insulinanstieg begünstigten und die Blutglukosekonzentration deutlich erhöhten. „Die sog. Blutzuckerkontrolle, also die Fähigkeit des Körpers, den Blutzuckerspiegel auch bei Aufnahme von Glukose niedrig zu halten, war demnach unter Einfluss der Süßstoffe deutlich reduziert“, erläutert Professor Dr. med. Johann Ockenga, Direktor des Klinikums Bremen Mitte.

Auch Änderungen in der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms sowie in der Konzentration bestimmter Stoffwechselprodukte im Blutplasma konnten bei den Studienteilnehmer*innen nachgewiesen werden. Tatsächlich neutral verhielt sich keiner der untersuchten Süßstoffe. Zur Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs zwischen den beobachteten Stoffwechselveränderungen und der veränderten Darmflora führte das israelische Forschungsteam zusätzlich Versuche an Mäusen durch: „Sterile“ Mäuse (ohne Darmflora) wurden mit der Darmflora der Versuchspersonen behandelt. Daraufhin entwickelten sie dieselben Auffälligkeiten bei der Blutzuckerkontrolle. Die Studienergebnisse zeigen eindrücklich, dass Süßstoffe mannigfaltige Wechselwirkungen mit dem Mikrobiom und einen deutlichen Einfluss auf das Stoffwechselgeschehen im Körper haben, erläutert Johann Ockenga. In diese Richtung deutet auch eine weitere aktuelle Studie hin, nach der Sucralose bei Mäusen die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen kann.

Auch Fruchtzucker, der ebenfalls häufig zur Einsparung von Glukose in der Lebensmittelindustrie eingesetzt wird, ist keine unbedenkliche Alternative zum Haushaltzucker. „Eine aktuelle Studie [2] zeigt, dass Fruktose die Neubildung von Fett in der Leber sogar stärker anregt als Glukose“, betont Birgit Terjung. Damit könne auch diese Zuckervariante zu den typischen Stoffwechsel- und Gesundheitsproblemen wie Typ-2-Diabetes und die Entwicklung einer nicht-alkoholischen Fettleber beitragen, die üblicherweise mit einem hohen Zuckerkonsum in Verbindung gebracht werden.

Gerade angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Zuckerersatzstoffen bestehe dringender Forschungsbedarf zur Untersuchung der langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit, so Terjung.


Literatur:
1. Eran Elinav et al.: Personalized microbiome-driven effects of non-nutritive sweeteners on human glucose tolerance - ScienceDirect. In: Cell, Volume 185, Issue 18, Pages 3307-3328.e19, 1. September 2022.
2. Bettina Geidl-Flueck , Philipp A Gerber: Fructose drives de novo lipogenesis affecting metabolic health - PubMed (nih.gov). In: J Endocrinol. 257(2):e220270. 1. Mai 2023.

Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS): Süßstoffe verändern das Mikrobiom und erhöhen den Blutzuckerspiegel. Pressemeldung vom 05.04.2023

 

 

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