Die Stillquote in Deutschland ist im europäischen Vergleich seit Jahrzehnten auf einem konstant niedrigen Niveau. © Trendsetter Images/iStock/Getty Images Plus

Stillen: Leitfaden zur stigmasensiblen Kommunikation

  • 08.09.2021
  • News
  • Anna Sidorenko

Umfragen ergeben, dass jede/r Sechste in Deutschland das Stillen in der Öffentlichkeit nicht akzeptabel findet. Stillende Mütter fühlen sich oft gesellschaftlich unter Druck gesetzt. Dabei sind die gesundheitsförderlichen Vorteile des Stillens für Mutter und Kind unbestritten und hinreichend belegt. Studien belegen: Eine einfühlsame Beratung und ein stillfreundliches soziales Umfeld würden Frauen das Stillen erleichtern. Ein kürzlich vom Netzwerk Gesund ins Leben entwickelter Leitfaden legt eine positive Haltung zum Stillen dar und bietet Kriterien für stigmasensible Kommunikation und konkrete Beispiele für Text- und Bildsprache an.

82 % der Mütter in Deutschland beginnen direkt nach Geburt ihres Kindes zu stillen. Nach vier Monaten – dem empfohlenen Mindestzeitraum – wird nur noch ein Drittel der Kinder (34 %) ausschließlich mit Muttermilch ernährt. Die Stillquote in Deutschland ist im europäischen Vergleich seit Jahrzehnten auf einem konstant niedrigen Niveau. Als Gründe für frühes Abstillen geben vier von fünf Frauen Stillprobleme an. Das deutet darauf hin, dass sich manche Frauen nicht optimal informiert und unterstützt fühlen. Weiterhin berichtet etwa die Hälfte der Stillenden über negative Erfahrungen beim Stillen in der Öffentlichkeit. Und tatsächlich haben Umfragen ergeben, dass jede/r sechste Deutsche das Stillen in der Öffentlichkeit nicht akzeptabel findet.

Muttermilch ist in den ersten Lebensmonaten eines Kindes jedoch die beste Ernährungsform. Ihre Zusammensetzung ist an die frühkindlichen Bedürfnisse angepasst. Sie ist hygienisch einwandfrei, immer verfügbar und kostet nichts. Das Nicht-Stillen birgt hingegen gesundheitliche Risiken für Mutter und Kind. Das Risiko für Übergewicht und Adipositas sowie Magen-Darm-Infekte ist beim Säugling deutlich erhöht. Mütter, die nicht stillen, haben ein erhöhtes Risiko an Brustkrebs, Eierstockkrebs und Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken.

Weiterhin besteht in Deutschland kaum ein Überblick über Strukturen, Akteure und Maßnahmen zur Stillförderung. Das sind die Ergebnisse eines zweijährigen internationalen Projekts des Netzwerks Gesund ins Leben, welches stillförderliche und -hinderliche Faktoren systematisch erfasst hat. Das Projekt wird auf Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) vom Netzwerk Gesund ins Leben und der Nationalen Stillkommission gemeinsam mit der Universität Yale durchgeführt.

Auf Grundlage der Ergebnisse hat das Netzwerk Gesund ins Leben einen Leitfaden entwickelt, der eine positive gesellschaftliche Haltung zum Stillen darlegt und Kriterien für stigmasensible Kommunikation anbietet. An der Entwicklung des Leitfadens haben zahlreiche Institutionen, Verbände und Fachkräfte mitgewirkt. Der Leitfaden soll stillende Mütter dabei unterstützen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Er richtet sich an MultiplikatorInnen, die zum Stillen informieren und beraten.

Darüber hinaus gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich für mehr Stillfreundlichkeit einzusetzen. Medizinische Fachkräfte wie FrauenärztInnen, Hebammen und Ernährungsfachkräfte haben eine Schlüsselfunktion dabei, das Stillen zum Thema zu machen und haben die Aufgabe Mütter individuell zum Thema Stillen und Babyernährung zu beraten. Sie beraten Familien individuell abgestimmt auf ihre Lebenssituation und stärken sie in ihrem Handeln, etwa selbstverständlich in der Öffentlichkeit zu füttern.

Aber auch Medienschaffende und Personen des öffentlichen Lebens haben eine Vorbildfunktion, da sie das gesellschaftliche Bild des Stillens mitprägen. Sie alle können zu einer stillfreundlicheren Gesellschaft beitragen, indem sie Verständnis für Stillende wecken und zeigen, dass Stillen – auch in der Öffentlichkeit – selbstverständlich ist.

Der Leitfaden will das Stillen zum Thema machen, Verständnis für Stillende wecken und Wege aufzeigen, um so über das Stillen zu kommunizieren, dass sich niemand stigmatisiert fühlt. Dazu vertritt das Netzwerk Gesund ins Leben eine Haltung zum Stillen, die sich an folgenden Leitsätzen orientiert:
• Muttermilch und das Stillen haben positive Effekte für Mutter und Kind und verdienen besonderen Schutz.
• (Werdende) Mütter entscheiden selbst, ob sie stillen.
• (Werdende) Mütter haben das Recht auf eine informierte Entscheidung, wie sie ihren Säugling ernähren möchten.
• MultiplikatorInnen beraten individuell abgestimmt auf die Lebenssituation der Frauen.
• Stillen ist so lange gut, wie Mutter und Kind es möchten.
• Es ist normal, dass hungrige Säuglinge auch in der Öffentlichkeit gefüttert werden.

Den vollständigen Leitfaden zur stigmasensiblen Kommunikation rund um das Stillen können Sie kostenfrei beim BLE-Medienservice bestellen.


Quellen:
- Netzwerk Gesund ins Leben: Individuell zum Stillen informieren: Einfühlsame Kommunikation ist gefragt. Pressemeldung von 25.08.2021
- Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Faktenblatt Stillen in Deutschland
- Netzwerk Gesund ins Leben: Leitfaden Stillkommunikation. Pressemeldung von 25.08.2021

 


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