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Online News: Dauerhafter Stress verschlechtert chronische Darmkrankheiten

  • 10.07.2024
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  • Redaktion

Anhaltender Stress zieht auch den Darm in Mitleidenschaft. Insbesondere bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) ist bekannt, dass psychische Belastungen zu akuten Krankheitsschüben führen können. Ein Team um den Gastroenterologen Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Kai Markus Schneider konnte nun zeigen, welche zellulären und biochemischen Vorgänge bei der Verbindung zwischen Psyche und Darm zugrunde liegen [1].

Unter Stress produziert der Körper verschiedene Hormone, die ihm helfen, mit einer akuten Belastungssituation fertig zu werden. Kurzfristig wird so tatsächlich die Leistungsfähigkeit gesteigert, Energiereserven mobilisiert und der Kreislauf angeregt. Langfristig jedoch kann der Hormonschub zum gesundheitlichen Problem werden. Unter Dauerstress sind es speziell die in der Nebennierenrinde produzierten Glucocorticoide, die Entzündungsreaktionen im Darm auslösen. Das zeigten Schneider und sein Team in Versuchen an Mäusen. Dabei wirken die Glucocorticoide offenbar nicht direkt auf die Entzündungszellen des Darms. Als erste Anlaufstelle und wichtigste Vermittlungsinstanz konnten die Forschenden vielmehr das sog. Enterische Nervensystem (ENS) identifizieren. Das ENS bildet ein dichtes Geflecht, das die Darmwand durchzieht und aufgrund seiner komplexen Organisation als „Bauchhirn“ bezeichnet wird. Unter Glucocorticoid-Einfluss kam es zu deutlichen Veränderungen des ENS. Davon waren sowohl die Stütz- und Hilfszellen (Gliazellen), als auch die enterischen Nervenzellen selbst betroffen. Schneider konnte zeigen, dass sich unter Dauerstress eine Subgruppe von Gliazellen herausbildete, die den Immunbotenstoff CSF1 produziert und so zu einer Aktivierung von Entzündungszellen beitrug. CSF1 aktiviert außerdem Monozyten, was die Entzündungsreaktion zusätzlich verstärkt. Dieser Prozess fehlgeleiteter Entzündungen ist bereits als zugrundliegende Ursache einer Vielzahl anderer Erkrankungen bekannt. Die enterischen Nervenzellen dagegen wurden durch die Glucocorticoide in einen Zustand der Unreife versetzt, der mit einem Mangel des Botenstoffs Acetylcholin und einer Störung der Darmmotilität einherging. Durch diese beiden Vorgänge lassen sich Entzündungsschübe und Darmbeschwerden bei einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung erklären. Laut Prof. Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM, sei es Schneider und den Co-Autor*innen gelungen, den kausalen Zusammenhang zwischen psychologischem Stress, Darmentzündungen und Darmmotilität zu verstehen und an drei unterschiedlichen CED-Patient*innen-Kohorten zu bestätigen. „Von besonderem Interesse ist dabei, dass die beschriebenen Wechselwirkungen an langfristig erhöhte Glucocorticoid-Level gekoppelt sind“, so Ertl.


Literatur:
1. Schneider KM, Blank N, Alvarez Y, et al.: The enteric nervous system relays psychological stress to intestinal inflammation. Cell 2023; 186(13): 2823–38.e20.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM), Pressemeldung vom 15.04.2024

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