© AVTG /iStock/Getty Images Plus

Online News: Gründung eines neuen „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM)“

  • 11.10.2023
  • News
  • Redaktion

Mit der 2021 im Koalitionsvertrag von den Ampel-Parteien beschlossene Neuordnung der nachgeordneten Behörden des Bundesministeriums für Gesundheit wurde begonnen. Dies wurde in einer Pressemeldung am 4. Oktober 2023 von Gesundheitsminister Karl Lauterbach bekannt gegeben (1). Dazu soll das „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM)“ aufgebaut werden, das sich um die Vermeidung nicht übertragbarer Erkrankungen (z. B. Krebs, Demenz, koronare Herzkrankheit) kümmern soll. Das BIPAM folgt damit einem umfassenderen Ansatz von Gesundheit – weg von der Fokussierung auf ein kuratives Gesundheitssystem hin zu einer Kombination aus Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung. Durch die Stärkung der Öffentlichen Gesundheit (Public Health) sollen nicht nur die Lebensqualität der Menschen gesteigert und ihre Lebenserwartung verlängert, sondern auch Kosten im Gesundheits- und Sozialsystem langfristig reduziert werden.

In Abgrenzung zum RKI soll ein wesentlicher Schwerpunkt des Bundesinstitutes auf der Vermeidung nicht übertragbarer Erkrankungen liegen. Die Aufgaben im Einzelnen:

• Auswertung und Erhebung von Daten zum Gesundheitszustand der Bevölkerung, um politische und strategische Entscheidungen vorzubereiten und zielgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen zu evaluieren.
• Gesundheitskommunikation des Bundes auf Basis valider Daten zu Gesundheitsbedingungen, Gesundheitszustand und Gesundheitsverhalten der Bevölkerung.
• Übergreifende Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.
• Vernetzung von Wissenschaft, Praxis, Politik und relevanten Stakeholdern.
• Frühzeitige Identifikation gesundheitlicher Bedürfnisse und Bedarfe (Foresight) sowie Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von nicht übertragbaren Krankheiten.
• Epidemiologische Forschung auf dem Gebiet der nicht übertragbaren Krankheiten, einschließlich der Erkennung und Bewertung von individuellen Risiken und sozialen Gesundheitsdeterminanten.
• Unterstützung von Studien zur Verbesserung der Primärprävention und Zusammenarbeit mit dem Forschungsdatenzentrum bei der Nutzung von KI für epidemiologische Auswertungen
• Aufbau eines Centers of Excellence für Modellierer im Gesundheitswesen

Das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) wird als selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMG errichtet. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) geht im neuen Bundesinstitut auf, um Gesundheitsanalyse und -kommunikation zu stärken.

Gleichzeitig soll das Robert-Koch-Institut durch eine Konzentration auf die Abwehr von Infektionskrankheiten gestärkt werden. Als neuer Präsident des RKI wurde Prof. Lars Schaade, bisher kommissarischer RKI-Präsident, berufen. Zum Errichtungsbeauftragten des neuen Bundesinstituts hat Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach den ehemaligen Leiter des Kölner Gesundheitsamtes Dr. Johannes Nießen ernannt. Der Zeitplan für den Aufbau des BIPAMs sieht vor, dass Ende 2023 der entsprechende Gesetzgebungsprozess startet, 2024 eine „Transformationsphase“ folgt, und das Gesetz über die Einrichtung des BIPAMs 2025 in Kraft tritt.

Kommentar der Redaktion:
Noch´n Institut!
„Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht in einem Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit am Bundesministerium für Gesundheit auf, in dem die Aktivitäten im Public-Health Bereich, die Vernetzung des ÖGD [Öffentlicher Gesundheitsdienst] und die Gesundheitskommunikation des Bundes angesiedelt sind.“– so steht es im bestehenden Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition aus dem Jahr 2021 (2) Diese Idee wurde als Reaktion auf die gesellschaftlich wahrgenommenen Koordinations- und Kommunikationsprobleme im Pandemiemanagement von den Parteien aufgenommen.
Hintergrund: Auch das derzeitige Robert Koch-Institut ging aus einer Umstrukturierung hervor. 1994 wurde das damalige Bundesgesundheitsamt, nicht zuletzt als Folge eine Skandals (3) (Infektionen durch HIV-kontaminierte Blutprodukte für Hämophiliepatient*innen) aufgelöst. Die Nachfolgeeinrichtungen mit stärker fokussierten Zuständigkeiten wurden in der Folge mehrfach umstrukturiert (4). Heutige Nachfolger sind u. a. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und eben das Robert Koch-Institut, auf dessen Website aktuell noch der Public Health-Bereich vertreten ist (5). Im Zuge der Corona-Pandemie gab es dann auch noch Wirbel um die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (6), die nun im neuen BIPAM angesiedelt sein soll.
Nun geht also ein neues Bundesinstitut an den Start. Zwar ist die angekündigte Stärkung des Präventionsgedankens begrüßenswert, der Aufbau eines neuen Bundesinstitutes hingegen sinnvoller ist, als z.B. die Stärkung bestehender Kompetenzen, z. B. in einer gestärkten Abteilung am RKI, bleibt abzuwarten: Neue Posten, neue Strukturen, der Wegfall bestehender Vernetzung – wie lange braucht der Aufbau eines neuen Institutes, bis es handlungsfähig ist? Was passiert in Sachen Prävention in der Zwischenzeit? Auch offen bleiben Fragen nach der Zukunft bisheriger Zuständigkeiten, wie z. B. der Ansiedlung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS), deren Zuständigkeit bislang beim RKI lag. Wie wird sich diese Neuordnung schon jetzt und zum BIPAM-Start ab 2025 langfristig auswirken?
Ernährungsfachkräfte werden ohnehin weiter damit leben müssen, das ihr Fachgebiet von verschiedenen Ministerien und Zuständigkeiten (Gesundheit, Ernährungs und Landwirtschaft, Wirtschaft, Verbraucherschutz, Bildung) „bespielt“ und unterschiedlich gewichtet wird. Hoffentlich berücksichtigt das neue BIPAM: Zu Public Health gehören auch Public Health Nutrition und Ernährungsmedizin, aber auch viele nicht primär medizinische, sondern gesamtgesellschaftliche Aspekte, z. B. Bildung und soziale Teilhabe.

Kristin Leismann, Udo Maid-Kohnert


Quellen:
(1) Pressemeldung vom 04.10.2023, Bundesgesundheitsministerium, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/praeventions-institut-im-aufbau-pm-04-10-23
(2) Die Bundesregierung. Koalitionsvertrag von 2021: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5b8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 , S.83
(3) Der Aids-Skandal und die Zerschlagung des BGA. www.aerztezeitung.de/Politik/Der-Aids-Skandal-und-die-Zerschlagung-des-BGA-314223.html (Zugriff am 6.10.2023)
(4) Großklaus D: Deutschland ohne Bundesgesundheitsamt – Eine kritische Analyse. https://www.aekb.de/fileadmin/News/PDF/import/00401_Deutschland_ohne_BGA.pdf (Zugriff am 6.10.2023)
(5) www.rki.de/DE/Content/Institut/Public_Health/PH_node.html
(6) Feldwisch-Drentrup H: Tagesspeigel vom 24.1.2021. www.tagesspiegel.de/politik/wer-ist-hier-der-boss-4225183.html (Zugriff am 6.10.2023).

Das könnte Sie interessieren
Dauerhafter Stress verschlechtert chronische Darmkrankheiten weiter
Medienleitfaden Adipositas: Empfehlungen zum Umgang mit Adipositas und Menschen mit... weiter
WHO-Bericht: Vier Industrieprodukte verursachen jährlich 2,7 Mio. Todesfälle in Europa weiter
Wie Influencer*innen „Kinderlebensmittel“ auf Social Media bewerben weiter
Nährstoffbedarfe von transgender Personen weiter
Ernährungstherapie bei Amyloidosen weiter