Geistige Leistungsfähigkeit: Alzheimer im frühen Stadium kann durch spezielle Ernährung verzögert werden
- 30.11.2020
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- Redaktion
Eine beginnende Alzheimer-Erkrankung macht sich durch eine nachlassende Hirn- und Gedächtnisleistung bemerkbar, v. a. das Kurzzeitgedächtnis leidet. Dies erkennen die PatientInnen und ihre Angehörigen bereits lange, bevor die eigentliche Demenz ausbricht. „Durch Untersuchungen des Hirnwassers und Kernspintomographie-Aufnahmen des Gehirns, die eine für Alzheimer typische Schrumpfung des Hippocampus sichtbar machen, lässt sich dieses Frühstadium gut feststellen“, erläutert Tobias Hartmann, Professor für Demenzprävention der Universität des Saarlandes, der die LipiDiDiet-Studie leitet. In der breit angelegten Untersuchung wurden über 300 TeilnehmerInnen mit ersten Symptomen über einen längeren Zeitraum mit einem speziellen medizinischen Nahrungsmittel behandelt.
Erste ermutigende Zwischenergebnisse dazu wurden bereits in den vergangenen Jahren veröffentlicht, „Aber erst jetzt nach drei Jahren Behandlungszeit offenbarten sich weitgehende Unterschiede zwischen den Studienteilnehmern und der Kontrollgruppe“, erläutert Hartmann. Letztere erhielt ein unwirksames Placebo-Mittel, das aber im Geschmack sowie in der Konsistenz und Farbe identisch war. Weder PatientInnen, MedizinerInnen noch WissenschaftlerInnen wussten, wem das Placebo oder das Multinährstoffgetränk verabreicht wurde. „Bei den Patienten mit dem Nährstoffcocktail konnte der Veränderungsprozess im Gehirn deutlich verlangsamt werden. Noch wichtiger war, dass die Hirnleistung während der drei Jahre zwischen 40 bis 70 Prozent weniger nachließ als bei den nicht behandelnden Probanden“, erläutert Hartmann.
„Die positiven Effekte der Behandlung zeigten sich besonders deutlich bei den Teilnehmern, die in einem sehr frühen Alzheimer-Stadium damit beginnen konnten. Zudem konnten wir, was uns selbst überraschte, feststellen, dass die Wirkungen im Laufe der Behandlungszeit zunahmen und sich nicht nur im Bezug auf das Gedächtnis, sondern auch auf andere kognitive Bereiche ausweiteten, je länger die Behandlung andauerte“, erklärt Hartmann. Die ProbandInnen konnten z. B. alltägliche Herausforderungen, wie Rechnungen bezahlen, sich den Weg merken oder auch mit Notfällen umgehen, besser bewältigen als die Kontrollgruppe.
Keine Unterschiede zwischen Placebo- und Interventionsgruppe zeigten sich in Bezug auf die kummulatve Inzidenz und die durchschnittliche Zeit, zu der eine Alzheimer-Demenz klinisch diagnostiziert wurde.
Das eingesetzte Nährstoffgemisch enthält eine spezielle Kombination aus essenziellen Fettsäuren, Vitaminen und anderen Nährstoffen. Dazu zählen Docosahexaensäure (DHA), Eicosapentaensäure (EPA), Uridinmonophosphat, Cholin, die Vitamine B12, B6, C, E und Folsäure sowie Phospholipide und Selen. Frühere präklinische Forschungen des LipiDiDiet-Konsortiums und anderer Laboratorien, etwa des Massachusetts Institute of Technology (MIT), haben gezeigt, dass diese Nährstoffe eine Reihe von für Alzheimer typische Hirnveränderungen reduzieren. Weitere klinische Studien zeigten zudem positive Ergebnisse bei Gedächtnis- und EEG-Messungen, die auf erhöhte Hirnaktivitäten der behandelten Versuchspersonen hinwiesen.
Hintergrund
LipiDiDiet ist ein großes europäisches Forschungskonsortium, das 1999 gegründet wurde und sowohl Grundlagenforschung als auch klinische Forschung durchführt, um die therapeutischen und präventiven Auswirkungen von Nahrungsfetten auf die neuronale und kognitive Leistung bei Alterung, Alzheimer und vaskulärer Demenz zu untersuchen. Koordiniert wird LipiDiDiet von Tobias Hartmann, Universität des Saarlandes. Leiter des Arbeitspakets der klinischen Studie ist Hilkka Soininen, University of Eastern Finland in Kuopio. Die Arbeit von LipiDiDiet wird größtenteils durch die Forschungsprogramme der Europäischen Union finanziert.
Originalpublikation:
Soininen H. et al. (2020) 36‐month LipiDiDiet multinutrient clinical trial in prodromal Alzheimer's disease. Alzheimer’s & Dementia: The Journal of Alzheimer’s Association. https://doi.org/10.1002/alz.12172
Quelle:
Universität des Saarlandes, Pressemeldung vom 5. November 2020.