Kunststoffbecher mit Bambusbeimischung setzen oft Schadstoffe frei © bellendo/Unsplash

Gesundheitsgefährdend: Plastikgeschirr mit Bambus & Co.

  • 13.08.2021
  • News
  • Dr. Sabine Schmidt

Aus Kunststoffgeschirr mit Bambus-, Reis- oder Weizenfasern können gesundheitsgefährdende Stoffe in Lebensmittel übergehen. Sie sind in der Europäischen Union überdies rechtlich nicht verkehrsfähig. Die Verbraucherzentrale Hessen und der Verbraucherzentrale Bundesverband fordern Bundesregierung und Überwachungsbehörden auf, die Öffentlichkeit zu informieren und potenziell gesundheitsschädliche Produkte bundesweit zurückzurufen. Wer solche Produkte bereits gekauft hat, sollte sie nicht mehr verwenden.

„Bambus“geschirr wird als recycelbare und natürlichere Alternative für Coffee-To-Go-Becher und anderes Geschirr beworben und angeboten. Meist handelt es sich dabei aber um eine Mischung aus Bambusmehl und Melaminharz oder Harnstoff-Formaldehydharz. Dieses kann gesundheitsschädlich sein und darf zudem gar nicht verkauft werden. Darauf weist die Verbraucherzentrale (VZ) Hessen in einer aktuellen Pressemeldung und nicht zum ersten Mal hin.

Kunststoffbecher mit Bambusbeimischung setzen oft Schadstoffe frei
Die VZ Hessen zitiert die Ergebnisse von Untersuchungen mehrerer voneinander unabhängiger Institute zu Geschirr mit Bambusbeimischung wie folgt:

  • Im Juli 2019 testete Stiftung Warentest zwölf Bambusbecher mit Kunststoffbeimischung: Sieben davon wurden mit „mangelhaft“ bewertet, weil sie unzulässige Mengen an Schadstoffen an das Getränk abgaben, wenn sie mit heißen Flüssigkeiten gefüllt waren.
  • 2017 veröffentlichte das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart die Ergebnisse aus drei Jahren Laborarbeit, in denen 45 als Bambusgeschirr beworbene Produkte getestet wurden. 35 davon bestanden nicht nur aus Bambus. Die Ergebnisse waren alarmierend: Elf der 35 Produkte gaben erhebliche Mengen Formaldehyd oder Melamin an die zur Prüfung verwendete Flüssigkeit ab und überschritten teilweise die gesetzlichen Grenzwerte. Laut der Untersuchung hätten alle 35 Gegenstände nicht verkauft werden dürfen.
  • Weiterführende Untersuchungen aus Stuttgart im Jahr 2018 zeigen, dass die Freisetzung von Formaldehyd und Melamin bei den meisten getesteten Bambusbechern mit der Zeit, also bei mehrmaliger Prüfung, sogar noch zunimmt.
Abb. 1: Tablett aus Bambus, erkennbar an der sichtbaren Maserung

Kein Kunststoffgeschirr mit Bambusfasern für Lebensmittel verwenden

  • Bambusgeschirr besteht nicht immer nur aus Bambus, sondern häufig auch aus Kunststoffen wie Melaminharz.
  • Verschiedene Untersuchungen und Produktrückrufe zeigen seit längerem, dass viele der Gefäße Schadstoffe an die Lebensmittel abgeben. Formaldehyd kann Krebs erzeugen. Melamin kann zu Schäden an Blase und Nieren führen.
  • Kunststoffgeschirr mit Beimischung von Bambusmehl, Reishülsen, Maisstärke oder Weizenstroh darf daher nicht verkauft werden.
  • Empfehlenswerte Materialien für Mehrweggeschirr sind Edelstahl, Glas und Porzellan, als Deckel auch Polypropylen
    Quelle: Verbraucherzentrale Hessen

 

Reines Bambus oder Kunststoffmischung?
Ob es sich um Geschirr handelt, das aus echtem Bambus besteht oder um eine Mischung mit Kunststoffen, erkennt man an der Beschaffenheit der Oberfläche. Bei reinem Bambusgeschirr ist die Farbe hell- bis dunkelbraun und die Holzmaserung erkennbar (vgl. Abbildung 1). Bei Kunststoffgeschirr mit Bambusbeimischung, z. B. den verbreiteten Coffee-To-Go-Bechern, ist die Oberfläche matt und das Material meist gefärbt und/oder bedruckt. Bambuspulver oder auch Maisstärke werden hier als Füllstoffe eingesetzt.

Geschirr aus reinem Melaminharz wird in Deutschland ebenfalls verkauft. Auch ohne den Zusatz von pflanzlichen Fasern kann dieses unter bestimmten Bedingungen Melamin und Formaldehyd freisetzen. Die VZ Hessen verweist hier auf das Bundesinstitut für Risikobewertung, welches davon abrät, Melamingeschirr für heiße Lebensmittel zu verwenden oder es in der Mikrowelle zu erhitzen [1]. Für Pfannenwender und Kochlöffel sei Melaminharz ebenfalls ungeeignet. Melamingeschirr mit angegriffener oder beschädigter Oberfläche sollte nicht weiter für Lebensmittel verwendet werden.

Dass Bambus-Kunststoff-Geschirr rechtlich nicht verkehrsfähig ist, hat eine Ursache unabhängig vom möglichen Übergang gesundheitsgefährdender Stoffe. Bambus und andere natürliche Materialien haben bisher in der EU keine Zulassung als Lebensmittelkontaktmaterialien bekommen, sie dürfen daher rein rechtlich in Lebensmittelverpackungen nicht verwendet werden.

Bambus-Kunststoff-Geschirr vom Markt nehmen
Wiebke Franz von der VZ Hessen findet es untragbar, dass Plastikgeschirr mit Naturfasern immer noch angeboten wird. „Wir fordern Anbieter auf, diese nicht zugelassenen Produkte zurücknehmen und der Kundschaft den Kaufpreis zu erstatten, denn rechtlich gesehen gelten sie als mangelhaft. Konsumierenden empfehlen wir für den Kontakt mit heißen Speisen und Getränken auf langlebige Mehrweg-Alternativen zu setzen. Edelstahl, Glas, Porzellan sind empfehlenswert“, so Franz.


Quellen:
- Verbraucherzentrale Hessen: Riskant statt nachhaltig: Plastikgeschirr mit Bambus und Co. Pressemeldung vom 29.07.2021
- Verbraucherzentrale Hessen: Vorsicht: Schadstoffe in Kunststoffgeschirr mit Bambusbeimischung. Pressemeldung vom 28.07.2021 (last accessed on 05 August 2021).

Literatur:
1. Bundesinstitut für Risikobewertung: Gefäße aus Melamin-Formaldehyd-Harz wie „Coffee to go“ Becher aus „Bambusware“ können gesundheitlich bedenkliche Stoffe in heiße Lebensmittel abgeben. Stellungnahme Nr. 046/2019 des BfR vom 25. November 2019

→ Zum Thema Plastikgeschirr und seine gesundheitlichen und Umweltauswirkungen lesen Sie auch unser kostenlos verfügbares Special zu Plastik im Lebensmittelbereich in Ernährungs Umschau 05/2018 ab S. M258.

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