Auch rote Beeten enthalten Geosmin. © Lisovskaya/iStock/Getty Images Plus

Online News: Erdig-muffige Note: Erstmals menschlicher Geruchsrezeptor für Geosmin identifiziert

  • 14.08.2024
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  • Redaktion

Der Mensch besitzt insgesamt etwa 400 verschiedene Geruchsrezeptorgene. Diese Rezeptorgene kodieren wiederum etwa 600 verschiedene Rezeptorvarianten in der Nasenschleimhaut. Gegenwärtig ist lediglich für etwa 20 % der menschlichen Geruchsrezeptoren bekannt, welche Geruchsstoffe sie identifizieren können. Ein Forschungsteam um Dietmar Krautwurst vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (TUM) hat nun erstmals den menschlichen Geruchsrezeptor für Geosmin identifiziert und funktionell charakterisiert.

Geosmin ist eine flüchtige Verbindung mikrobiellen Ursprungs mit einem ausgeprägt "erdigen" bis "muffigen" Geruch. Geosmin hat den uns Menschen bekannten Geruch, der bei nassen Böden besonders nach Trockenheit auftritt und ist auch für den Geruch von Schimmelpilzen mitursächlich. Obwohl der Geosmingeruch in der Natur weit verbreitet ist, wird er nur von bestimmten Mikroorganismen im Boden produziert und abgegeben. Geosmin kommt auch in Pflanzen wie Kakteen und Rote Bete vor. „Während der Geruch von Geosmin zu Rote Bete passt, ist sein Auftreten in Lebensmitteln wie Fisch, Bohnen, Kakao, Wasser, Wein oder Traubensaft problematisch und kann auf gefährliche Erreger hindeuten. In diesen beeinträchtigt er die sensorische Qualität und Akzeptanz sehr stark“, erklärt Stephanie Frank, Lebensmittelchemikerin am Leibniz-Institut. Die menschliche Nase reagiert auf Geosmin sehr sensibel. Es reichen bereits geringste Konzentrationen von 4 bis 10 ng Geosmin/L für einen Menschen aus, um den Geruch wahrzunehmen. Das entspricht etwa einem Teelöffel Geosmin in der Wassermenge von 200 olympischen Schwimmbecken. Auch andere Lebewesen reagieren sehr empfindlich auf den Duftstoff, wobei der Geruch abstoßend oder anziehend wirken kann. So warnt er Fruchtfliegen vor verdorbener Nahrung. Kamele lockt er dagegen in wasserreiche Gebiete. „Das zeigt, dass Geosmin im Tierreich und sicher auch beim Menschen als chemischer Signalstoff fungiert“, erklärt Erstautorin Lena Ball vom Leibniz-Institut.

Obwohl der Duftstoff seit 1965 bekannt und für die Lebensmittelproduktion bedeutsam ist, war bislang unbekannt, mit welchem Geruchsrezeptor Menschen Geosmin wahrnehmen. Das Team hat ein bidirektionales Rezeptor-Screening durchgeführt und mit diesem Testsystem erstmals den entsprechenden Rezeptor erkannt und beschrieben. Dieses als Rezeptorscreening verwendete zelluläre Testsystem ist weltweit einzigartig. Die Testzellen wurden von den Forschenden genetisch so verändert, dass sie wie kleine Biosensoren für Geruchsstoffe fungieren. Dabei legten sie genau fest, welche Geruchsrezeptorvariante die Testzellen auf ihrer Oberfläche präsentieren. Auf diese Weise konnte gezielt untersucht werden, welcher Rezeptor wie stark auf welchen Geruchsstoff reagiert. Von 616 überprüften menschlichen Geruchsrezeptorvarianten sprach nur ein einziger Rezeptor, der OR11A1, auf physiologisch relevante Konzentrationen des Duftstoffs an. Von 177 getesteten Substanzen konnte lediglich das erdig riechende 2-Ethylfenchol den Rezeptor signifikant aktivieren. Der identifizierte Rezeptor hat auf keine weiteren lebensmittelrelevanten Geruchsstoffe reagiert. Er ist demnach ausschließlich Geosmin vorbehalten.

„Die neuen Erkenntnisse über die hochempfindlichen Geruchsrezeptoren einiger Tiere betonen einmal mehr die biologische Relevanz von Geosmin als Signalstoff. Zudem könnten sie dabei helfen, neuartige Detektionssysteme zu entwickeln, mit denen sich die Lebensmittelqualität bei der Produktion und Lagerung überwachen oder die Wasserqualität von Süßwasserreservoirs kontrollieren lässt“, fasst Dietmar Krautwurst zusammen. Es besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf, da nur für wenige menschliche Geruchsrezeptoren bekannt ist, welche Geruchsstoffe sie erkennen können. Auch die genaue Anzahl und Funktion aller Rezeptorvarianten ist noch nicht bekannt und wird von Forschenden weltweit ermittelt.

Lesen Sie hierzu auch den Peer-Review-Beitrag „Geruch und Ernährung Teil 2: Die Charakteristik der Aromastoffe“ in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 01/2016 von Seite 22 bis 30.


Literatur
1. Ball L et al. Geosmin, a Food- and Water-Deteriorating Sesquiterpenoid and Ambivalent Semiochemical, Activates Evolutionary Conserved Receptor OR11A1. J Agric Food Chem. 10.1021/acs.jafc.4c01515.

Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (TUM), Pressemeldung vom 01.08.2024

 

 

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