Sechs Thesen zur Verbesserung der Gesundheitsförderung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche der Plattform Ernährung und Bewegung e. V. © Plattform Ernährung und Bewegung e. V. (peb)/www.annelehmann.de

peb-Kongress 2021: Prävention, die alle erreicht, nicht nur manche

  • 19.04.2021
  • News
  • Dr. Sabine Schmidt

Warum erreichen öffentliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung v. a. Kinder und Jugendliche aus sozial besser gestellten Familien? Wie können wir das ändern, sodass alle Familien von Gesundheitsförderung profitieren? Diesen Fragen ging der diesjährige, Online durchgeführte Kongress der Plattform Ernährung und Bewegung nach, erfolgreich unterstützt von einer Reihe von ExpertInnen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen.

Das Präventionsdilemma
Gesundheitliche Präventionsmaßnahmen werden überwiegend im Rahmen von „Gesundheitsaufklärung“, d. h. als auf Verhalten abzielende Maßnahmen angeboten. Bei Gruppen in schwierigen sozioökonomischen Lagen kommen diese allerdings selten an. Gruppen mit höherem Einkommen und Bildungsgrad profitieren hingegen von solchen Angeboten, da die Ansprache z. B. in Broschüren und Kursangeboten mehr auf sie zugeschnitten ist. Das führt dazu, dass die soziale Kluft zwischen Erfolg und Versagen von Präventionsangeboten und damit die gesundheitliche Ungleichheit weiter wächst. Dies muss sich ändern, wenn nicht nur manche, sondern alle von Präventionsmaßnahmen profitieren sollen. So erläuterte Kongress-Moderatorin Ruth Hammerbacher den Kongresstitel „Raus aus dem Präventionsdilemma“ „Aufklärung wird nicht helfen, solange diese sozialen Rahmenbedingungen bestehen“, betonte dazu Prof. Julika Loss, Leiterin des Bereichs Gesundheitsverhalten im Robert Koch-Institut. Sie stellte Zahlen aus der Gesundheitsberichterstattung zur sozialen Kluft des Übergewichts vor. Diese zeigen z. B., dass über 25 % der Kinder in Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status (SES) übergewichtig sind, hingegen nur 8 % in Familien mit hohem SES.

Zusammenarbeit und Regelstrukturen nötig
Prof. Georg Cremer, ehemaliger Generalsekretär der Caritas, wies dringlich darauf hin, dass für gelungene Gesundheitsförderung und Prävention eine viel engere Zusammenarbeit verschiedener Institutionen im Sozialstaat nötig sei. Es müssten niederschwellige gesundheitsförderliche Regelstrukturen für alle aufgebaut werden, u. a. in Bildungsinstitutionen, Ämtern, Kommunen. Diese müssten durch Zusatzangebote für „erschöpfte Familien“ ergänzt werden.

Maßnahmen nach Zielgruppen differenzieren
Dass der SES an sich noch kein ausreichendes Merkmal für die Identifizierung und Ansprache von Zielgruppen in der Prävention ist, erläuterte Heide Möller-Slawinski, die an der SINUS-Jugendstudie 2020 mitgearbeitet hat. „Sozial benachteiligte“ Jugendliche seien keineswegs eine homogene Gruppe, vielmehr gebe es ganz verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Motivationen, Vorbildern und Bedürfnissen. Für ExpertInnen ist es ihrer Meinung nach kaum möglich, sich in die Lebenswelten verschiedener Milieus von Jugendlichen hineinzudenken. Partizipation sei daher extrem wichtig, MultiplikatorInnen müssten „mit den Jugendlichen sprechen, nicht über sie“. Um einen Zugang zu bekommen, dürfe man Kinder und Jugendliche, die durch ihre Entwicklungsphase und evtl. zusätzlich schwierige Lagen sowieso z. T. verunsichert seien, zudem nicht auf ihre Defizite reduzieren.

Sechs Thesen
Die anwesenden ExpertInnen machten eine Reihe von Vorschlägen, wie das Präventionsdilemma überwunden werden könnte: Von der Kindergrundsicherung, um die sozial Schwächsten materiell zu stärken, über eine „aufsuchende“ Prävention, „dort wo das Kind ist“, eine verstärkte Orientierung des Bildungssystems am Kind bis zu einer ausreichenden finanziellen Ausstattung der Anliegen Gesundheitsförderung/Minderung der Folgen sozialer Ungleichheit. Die Erfahrungen, Studienergebnisse und Forderungen der ExpertInnen zur Überwindung des Präventionsdilemmas wurden von der Plattform Ernährung und Bewegung schon im Vorfeld der Veranstaltung in „Sechs Thesen" zur Verbesserung der Gesundheitsförderung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche“ zusammengefasst.

Die ausführliche Berichterstattung mit best practice-Beispielen und Kommentar finden Sie in der aktuellen Ausgabe 04/2021 der Ernährungs Umschau online.

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