Der Bundestag hat das Gesetz zur verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. © BMEL

Online News: Ernährungspolitik: Verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung kommt

  • 26.06.2023
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  • Redaktion

Der Bundestag hat am 16. Juni 2023, in abschließender Lesung, das von Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Cem Özdemir vorgelegte Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Die staatlich verpflichtende Kennzeichnung soll für mehr Transparenz in Bezug auf die Haltungsform von Tieren sorgen und Verbraucher*innen eine bewusste Kaufentscheidung ermöglichen. Der Gesetzesentwurf ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.

Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) schafft die rechtliche Verpflichtung zur Kennzeichnung der Haltungsform bei Lebensmitteln tierischer Herkunft. Ziel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist es, den Tierschutz für alle Tiere zu verbessern.

Die Haltungskennzeichnung umfasst fünf verschiedene Haltungsformen: „Stall“, „Stall+Platz“, „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ und „Bio“. Zunächst regelt das Gesetz die Mast bei Schweinen und soll schon bald ausgeweitet werden: Weitere Verarbeitungsformen, Vertriebswege und Tierarten sollen folgen. Das Gesetz betrifft somit auch unverarbeitetes Fleisch, das z. B. in der Fleischtheke angeboten wird, etwa beim Metzger, im Supermarkt, Hofladen oder auf dem Wochenmarkt. „Wir fangen jetzt mit Schweinefleisch an, werden Schritt für Schritt weitere Tierarten hinzunehmen und auch weitere Vertriebswege, so dass Sie als Verbraucherinnen und Verbraucher dann auch im Restaurant sehen können, wie [das Tier für] Ihr Schnitzel gehalten wurde“, so Bundesminister Cem Özdemir.

Darüber hinaus sieht der Beschluss Änderungen im Baugesetzbuch zur Erleichterung von Stallumbauten vor. Tierhaltende Betriebe sollen es so künftig einfacher haben, ihre Ställe an die tiergerechteren Haltungsformen anzupassen. Durch die baurechtliche Privilegierung der Unternehmen soll der Umbau der Stallanlagen von der vorhandenen Tierhaltung auf die Haltungsformen „Frischluftstall“, „Auslauf/Weide“ oder „Bio“ erleichtert werden. Hierfür müssen Tierhalter ihre Bestände nicht verringern.

Beide Gesetze werden nun voraussichtlich am 7. Juli im Bundesrat diskutiert.

Quelle: BMEL, Pressemeldung vom 16.06.2023

Was unterscheidet die gesetzliche Haltungskennzeichnung von der bisherigen freiwilligen Haltungskennzeichnung des Lebensmittelhandels?

Schon 2019 führten führende Lebensmitteleinzelhandelsketten eine Haltungskennzeichnung ein, die im Gegensatz zur neuen gesetzlichen Regelung jedoch freiwillig angelegt ist. Sie enthält vier Stufen von 1 = Stallhaltung bis 4 = Premium [1]. Die erste Stufe entspricht wie im neuen TierHaltKennzG gesetzlichen Mindestanforderungen der Stallhaltung, soweit vorhanden, bedeutet also zunächst keinen Schritt in Richtung mehr „Tierwohl“. Stufe 4 kann biologische Erzeugung bedeuten, aber auch konventionelle Haltung ist für diese Stufe erlaubt, wenn die Vorgaben eingehalten werden [2]. Hier weicht die staatliche Kennzeichnung ab: „Bio“ ist bei der staatlichen, verpflichtenden Kennzeichnung eine eigene Stufe, noch über „Auslauf/Weide“. Zudem wird die staatliche Regelung auch unverpackte Ware betreffen, also umfassender sein.

Quellen: 1. Lebensmittelverband Deutschland: Tierwohl-Label und Haltungsform-Kennzeichnung. (last accessed on 21 June 2023).
2. Bundeszentrum für Ernährung: Tierwohl-Kennzeichnung: Fleisch aus artgerechter Tierhaltung?

Ziele der Bundesregierung für die landwirtschaftliche Nutztierhaltung

Für bestimmte Tierarten gelten in Deutschland keine tierschutzrechtlichen Mindestvorgaben. Die aktuelle Bundesregierung hat sich mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) zum Ziel gesetzt, die landwirtschaftliche Tierhaltung in Deutschland neben Kriterien der Wirtschaftlichkeit schrittweise stärker an Nachhaltigkeits- und Tierschutzkriterien auszurichten. Der Gesetzentwurf wurde erstmals am 15. Dezember 2022 im Bundestag debattiert.
Das Vorhaben einer zukunftsfesten Tierhaltung umfasst für das BMEL vier zentrale Bausteine:
• eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung,
• ein Förderkonzept für den Umbau der Ställe einschließlich einer langfristigen Perspektive für die Betriebe,
• bessere Regelungen im Tierschutzrecht und
• Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht.

Für alle Lebensmittel tierischer Herkunft, für die eine Kennzeichnung verpflichtend eingeführt wird, gilt:
• Lebensmittel müssen verpflichtend gekennzeichnet werden, wenn die Tiere in Deutschland gehalten wurden und die Lebensmittel in Deutschland an Endverbraucher*innen verkauft werden.
• Es werden alle Formen der Abgabe von Lebensmitteln tierischen Ursprungs an die Verbraucher*innen erfasst, u. a. Einzelhandel, Bedientheke, Onlinehandel, Wochenmarkt.
• Maßgeblich für die Kennzeichnung ist die Haltungsform der Tiere während des produktiven Lebensabschnitts, bei Fleisch die Mast.

Quelle: BMEL: BMEL legt Eckpunkte des Bundesprogramms zum Umbau der Tierhaltung vor – Grundlagen zur finanziellen Förderung von Landwirtinnen und Landwirten stehen. Pressemeldung vom 21.12.2022.

Kommentar von Dr. Sabine Schmidt (21.06.2023) zu der geplanten Tierhaltungskennzeichnung:
(scs): Nach Jahren der Diskussion ist es nun endlich die jetzige Bundesregierung, die eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für Fleisch einführt. Während die Vorgängerregierung sich nicht zu einer Kennzeichnung durchringen konnte, wurde sie vom Lebensmittelhandel überholt, der die zunehmende Wahrnehmung von Tierschutzbelangen in der Bevölkerung als Auslöser nahm, eine eigene Kennzeichnung einzuführen. Diese findet sich inzwischen auf einer Reihe von Produkten in Supermärkten. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale zu dieser Kennzeichnung zeigte allerdings, dass über die Hälfte der – freiwillig – gekennzeichneten Produkte mit Stufe „1“ labelten1. Schon das Label an sich dient also dem Absatz, denn Stufe 1 bedeutet ja nur, dass die Tiererzeuger sich nicht durch ungesetzliche Haltung strafbar machen bzw., wo Gesetze fehlen, die branchenübliche Haltung einhalten. Auch die neue, gesetzliche Haltungskennzeichnung fängt bei dieser Stufe der gesetzlichen Mindestanforderungen („Stall“) an, ist aber immerhin verpflichtend und wird damit auf allen Produkten sichtbar sein – zunächst nur bei Schweinefleisch, hoffentlich so bald wie möglich auf allen Fleischwaren. Sie erscheint zudem auch auf unverpackten Produkten, z. B. beim Metzger und auf dem Wochenmarkt sowie laut Aussage des Ministers sogar in der Gastronomie. Die Kennzeichnung aller Produkte wird hoffentlich bewirken, dass der reine Abdruck eines Labels nicht mehr wie bisher schon eine Verbesserung der Tierhaltung suggeriert, sondern die Verbraucher*innen die verschiedenen Stufen bewusster wahrnehmen und ihr Einkaufsverhalten im besten Fall hin zu einer höheren Stufe ändern.


1. Verbraucherzentrale Bundesverband: Haltungsform-Kennzeichnung im Handel: Die Auswahl bleibt mangelhaft. (last accessed on 21 June 2023).

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