Reizdarm: Weniger sensibel als gedacht
- 22.12.2015
- News
- Redaktion
Vom sogenannten Reizdarmsyndrom sind rund zehn bis 15 Prozent der Menschen in den Industrieländern betroffen. Die Erkrankung geht mit typischen Symptomen wie Bauchweh, Blähungen oder unregelmäßigem Stuhlgang einher. Lange war gemutmaßt worden, dass es eine psychosomatische Störung ist, die vor allem durch Stress ausgelöst wird. Mittlerweile steht jedoch fest, dass es sich um eine organische Erkrankung handelt. Eine eindeutige Therapie für betroffene Patienten gibt es bislang nicht, lediglich für einzelne Symptome.
Die kürzlich veröffentlichte Studie der TUM-Wissenschaftler zeigt nun, dass es zu messbaren Veränderungen an den Nerven der Darmwand von Reizdarmpatienten kommt. Eine mögliche Ursache der Symptome bei einer Gruppe von Reizdarmpatienten sei eine erhöhte Ausschüttung von Botenstoffen, so Professor Michael Schemann vom TUM-Lehrstuhl für Humanbiologie. Diese würden unter anderem bei entzündlichen Prozessen eine Rolle spielen.
Desensibilisierung als Schutzmaßnahme
Eine Nervensensibilisierung kann allerdings ausgeschlossen werden, denn sowohl auf elektrische Stimulation sowie auf Nikotin reagierten die Darmnerven der Reizdarmpatienten genauso wie die von Patienten ohne Symptome. Dies sind erprobte Methoden, um die Ansprechbarkeit der Darmnerven zu testen.
Außerdem wurden Histamin, Proteasen, Serotonin und TNF-alpha verabreicht, um das Milieu in der Darmwand der Reizdarmpatienten zu simulieren und die Reaktion darauf zu untersuchen. Hier zeigte sich, dass die Nerven der Reizdarmpatienten signifikant schwächer auf die verabreichten Stoffe reagierten als die Biopsien der gesunden Probanden. „Die Darmwand dieser Patienten ist offenbar desensibilisiert durch eine ursprünglich zu starke Aktivierung. Das kann eine Schutzmaßnahme sein, um eine Überreizung zu vermeiden“, sagt Professor Schemann.
Um diese Schlussfolgerung zu verifizieren, wurden Darmnerven für mehrere Stunden einer Reizung ausgesetzt. Das Ergebnis: „Sind die Nerven die ganze Zeit gereizt, regeln sie die Reaktion quasi herunter“, erklärt Schemann, der seit Jahren das Reizdarmsyndrom erforscht. Es bleibe jedoch offen, wie die beobachtete Desensibilisierung der Nerven auf ganz bestimmte Botenstoffe die eigentlichen Symptome verursache und ob dieses Phänomen neue Therapieoptionen eröffne.
Zwar beweisen die Untersuchungen eine verminderte Reaktion auf einen „Entzündungscocktail" aus verschiedenen Stoffen, schließen aber eine mögliche Sensibilisierung durch andere Stoffe nicht aus.
Quelle: TUM