Genauer hinschauen lohnt sich: Nicht jeder wissenschaftliche Pressetext hält, was seine Headline verspricht. © whyframestudio / iStock / Thinkstock
Genauer hinschauen lohnt sich: Nicht jeder wissenschaftliche Pressetext hält, was seine Headline verspricht. © whyframestudio / iStock / Thinkstock

Mediale Aufmerksamkeit: ... und bedenke die Folgen deines Tuns!

  • 23.03.2018
  • News
  • Redaktion
  • Prof. Dr. Helmut Heseker

Auf jeder letzten Seite unseres Heftes kommentieren wir Aufrüttelndes, Komisches und Zweifelhaftes aus dem "weiten Feld" der Ernährung. Diesmal widmen wir uns dem ernsten Thema Berichterstattung angesehener Universitäten und Institute zugunsten medialer Aufmerksamkeit. So viel steht fest: Hier geht Selbstvermarktung vor Pressekodex.

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gewundert über die Chuzpe von Uni-Pressemitteilungen über bahnbrechende, erstmaligste und neueste Ergebnisse ihres (ernährungs-) forschenden Personals. Einige wahllos herausgegriffene Beispiele: „Neuartiger Therapieansatz gegen Krebs entdeckt: Zucker-Entzug lässt Tumorzellen absterben“ (Charité, 3.9.2013) oder „Mütterliche Ernährung beeinflusst körperliche Leistungsfähigkeit der Nachkommen“ (DIfE, 13.1.2015) oder „Einkorn, Emmer, Dinkel: Alte Weizenarten fördern die Sehkraft und senken das Cholesterin“ (Uni Hohenheim, 25.1.2016).

Universitäres Buhlen kann zu irrtümlichen Interpretationen führen

Aus dem Zusammenhang gerissene, unpräzise oder die Wichtigkeit eigener Ergebnisse überbetonende und übertriebene Darstellungen wissenschaftlicher Ergebnisse führen dann nicht selten zu einer irreführenden Berichterstattung über diese Studien in den Medien. Oft gehen die Meldungen weit über das hinaus, was die Studienautoren/innen aus ihren Ergebnissen selber schließen. Nicht bedacht wird, dass dieses universitäre Buhlen um mediale Aufmerksamkeit für die Leser/innen durchaus das Potenzial zu irrtümlichen Interpretationen und falschen Empfehlungen haben kann, besonders, wenn diese nur die Schlagzeile lesen und sich nicht die Mühe machen, die Originalarbeiten zu lesen, um zu verstehen, was die Autoren/ innen tatsächlich gemeint haben. Problematisch ist auch, dass Leser/ innen sich auf die besondere Glaubwürdigkeit derartiger Informationen verlassen, da sie ja aus anerkannten, unabhängigen Forschungseinrichtungen stammen.

Gibt es wirklich einen Zwang zu einer besseren Selbstvermarktung?

Beim erstgenannten Beispiel würde man schnell feststellen, dass es sich lediglich um einen weiteren Forschungsansatz für die Entwicklung neuer Krebsmedikamente handelt, beim zweitgenannten, dass es sich um ein erstes Mäuseexperiment dieser Art handelte und beim drittgenannten, dass in der Studie die gesundheitliche Wirkung von Lutein gar nicht untersucht worden ist. Oft werden die Ergebnisse aus Tiermodellen fälschlicherweise auf den Menschen übertragen oder reine korrelative Assoziationen werden vorschnell zu Kausalitäten. Aber haben Universitäten es als Ganzes nötig, sich derart marktschreierisch und unseriös zu verhalten? Vorschnell wird dies mit der zunehmenden Konkurrenz zwischen den Hochschulen und dem Zwang zu einer besseren Selbstvermarktung begründet. Bisher kann sich aber kein ernährungswissenschaftlicher Fachbereich über mangelnde Studienplatznachfrage beklagen und nie zuvor standen mehr Mittel für die Ernährungsforschung zur Verfügung.

Wissenschaftler sollten Verantwortung übernehmen

An dieser Stelle sei an den Pressekodex erinnert, unangemessene sensationelle Darstellungen zu vermeiden, die Hoffnungen oder Befürchtungen beim Leser erwecken könnten, und Veröffentlichungen (auch in der Überschrift) wahrheitsgetreu wiederzugeben. Um nicht der „Wissenschaftslüge“ bezichtigt zu werden und um zu verhindern, dass die Öffentlichkeit falsch informiert wird, sollten Wissenschaftler/innen nicht nur für ihre Publikationen, sondern auch für die zugehörigen Pressemitteilungen die volle Verantwortung übernehmen.

Ihr Helmut Heseker

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