Die Corona-Krise wirkt sich quer durch alle Schichten auf die mentale Gesundheit und die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen aus. © KatarzynaBialasiewicz/iStock/GettyImages
Die Corona-Krise wirkt sich quer durch alle Schichten auf die mentale Gesundheit und die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen aus. © KatarzynaBialasiewicz/iStock/GettyImages

Corona-Pandemie: Mehr psychische Belastungen und Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen

  • 24.03.2021
  • News
  • Anna Sidorenko

Wie wirkt sich der Lockdown auf die mentale Gesundheit und das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen aus? Prof. Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Wiener Universitätsklinik, hat gemeinsam mit der Donau-Uni Krems eine Studie zu den psychischen Auswirkungen der Corona-Pandemie bei SchülerInnen durchgeführt. Das Forscherteam kommt zu besorgniserregenden Studienergebnissen. Die repräsentative Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und vergleichbare internationale Studien zeichnen ein ähnliches Bild. Weiterhin deuten Erfahrungsberichte aus Klinken auf eine Zunahme an Essstörungen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen hin.

Durch die Corona-Krise sind im Alltag von Kindern und Jugendlichen viele Dinge weggebrochen, die den Alltag angenehm machen: die sozialen Kontakte, die sportliche Betätigung oder Erfolgserlebnisse in der Schule. Kontaktbeschränkungen, wenig Struktur im Alltag, Isolation und das Erleben weniger positiver Momente im Alltag führen zu einem Anstieg psychischer Belastungen, welcher sich verschiedenen Studien zufolge auch durch eine Zunahme an Essstörungen äußert. Durch den Lockdown ist bei vielen SchülerInnen auch der Tag-Nacht-Rhythmus, der wesentlich für die psychische Gesundheit verantwortlich ist, aus dem Takt geraten. „Wir haben auch gesehen, dass viele Jugendliche an Schlafstörungen leiden“, so Plener [1].

Das Forscherteam der Donau-Uni Krems hat zuvor vier Befragungswellen unter Erwachsenen durchgeführt, bei welchen die psychischen Belastungen in der Krise jedoch nicht so stark anstiegen wie bei den über 14-jährigen Jugendlichen. Die Ergebnisse zeigten, dass mehr als die Hälfte der SchülerInnen an einer depressiven Symptomatik und etwa die Hälfte an Angststörungen leidet, 16 % haben regelmäßig suizidale Gedanken. „So hohe Werte haben wir in Studien tatsächlich noch nie gesehen“, so der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In den Kinder- und Jugendpsychiatrien hat sich bereits Anfang des Jahres gezeigt, dass die schweren psychiatrischen Symptome angestiegen sind. Kliniken seien überbelegt und viele PatientInnen warteten immer noch auf einen Platz [1].

Ein ähnliches Bild zeichnet die repräsentative Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Von Mitte Dezember bis Mitte Januar nahmen mehr als 1 000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 17 Jahren und mehr als 1 600 Eltern an der bundesweiten Onlinebefragung teil. Demnach sei fast jedes dritte Kind in der Pandemie psychisch auffällig. Besonders betroffen seien Kinder aus sozial schwachen Familien. Die UKE-ForscherInnen verglichen die Daten der aktuellen und einer ersten Befragung im Juni 2020 auch mit vor der Corona-Krise erhobenen Daten bundesweiter Studien. Vor der Krise gab es laut der Untersuchung lediglich bei zwei von zehn Kindern ein Risiko für psychische Auffälligkeiten [2].

Auch wenn es noch keine validen Zahlen zu Essstörungen gibt, berichten Institutionen, die Kinder und Jugendliche mit Essstörungen betreuen, von einer Zunahme der Fallzahlen. Der Verein „Balance – Beratung und Therapie bei Essstörungen“ berät und therapiert seit 20 Jahren Kinder und Jugendliche mit Essstörungen. In der Corona-Krise hatte er laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung deutlich mehr Anfragen zu verzeichnen als sonst [3]. Aus der Klinik für Kinder- und Jugendpsychosomatik in München-Schwabing berichtete Chefärztin Sigrid Aberl dem Bayrischen Rundfunk: „Seit Beginn der Pandemie fragen viele PatientInnen mit Essstörungen bei uns wegen einer stationären Therapie an, mehr als sonst.“ Viele müssten zurzeit auf einen Therapieplatz warten. Der wichtigste Faktor für glückliche Kinder und Jugendliche seien die sozialen Kontakte, so die Chefärztin. Diese nehmen gerade im Jugendalter neben der Familie einen hohen Stellenwert ein. Auch wenn momentan keine persönlichen Treffen möglich sind, empfiehlt Aberl die Beziehungen via Internet und Telefon weiterzupflegen. Hier seien auch die Eltern gefragt, ihre Kinder zu unterstützen [4].

Literatur:
1. Zeit online: Wir haben sehr genau die Suizidstatistik im Auge. Pressemeldung vom 14.03.2021. www.zeit.de/2021/11/jugendliche-corona-pandemie-psychische-gesundheit-paul-plener  (last accessed on 20 March 2021).
2. COPSY-Studie: Kinder und Jugendliche leiden psychisch weiterhin stark unter Corona-Pandemie. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Pressemeldung vom 10.02.2021. www.uke.de/allgemein/presse/pressemitteilungen/detailseite_104081.html  (last accessed on 20 March 2021).
3. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): Wenn Mahlzeiten zur Schwerstarbeit werden. Pressemeldung vom 28.07.2020. (last accessed on 20. March 2021) Link: www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/essstoerungen-waehrend-corona-mehr-kinder-betroffen-16878960.html 
4. Bayrischer Rundfunk: Kinder in der Pandemie: Einsamkeit und Essstörungen nehmen zu. Pressemeldung vom 18.12. 2020. www.br.de/nachrichten/bayern/kinder-und-corona-einsamkeit-und-essstoerungen-nehmen-zu,SJRbDDp  (last accessed on 20 March 2021)

Das könnte Sie interessieren
Ernährungsunsicherheit während der COVID-19-Pandemie unter Tafel-Kund*innen weiter
Update und Weiterentwicklung der Kalkulation von Mehrkosten einer proteinarmen Diät bei... weiter
Neuerscheinung: Sonderheft “Ernährungspsychologie” weiter
Vitamin-D-Präparate: Kein höheres Risiko für Nierensteine oder Arterienverkalkung weiter
Preisstudie: Erstmals pflanzlicher Warenkorb günstiger als tierischer weiter
Lebensmittelsicherheit: Immer häufiger Cannabinoide in Süßwaren weiter