Front-of-Pack Labelling: NutriScore-Entscheidung: Lebensmittelverband fordert Nachbesserungen

Nach langer Vorgeschichte, über die wir in der Ernährungs Umschau intensiv berichtet haben, fiel aufgrund des klaren Verbrauchervotums und vorangegangener wissenschaftliche Evaluation die Entscheidung des Bundesministeriums für Ernährung (BMEL) zugunsten des NutriScore-Kennzeichnungssystems (1). Zahlreiche Lebensmittelhersteller und -discounter wollen das freiwillige zusätzliche Kennzeichnungssytem 2020 in Deutschland einführen. Nun fordert der Lebensmittelverband in einem 10-Punkte-Papier (2) Nachbesserungen.

Unter andem fordert der Lobbyverband eine kartellrechtliche Prüfung und die „Auflösung der Widersprüche zu allgemeinen Ernährungsempfehlungen“ und eine „Berücksichtigung der Verzehrsmengen“. Er stellt außerdem eine weitere Verbraucherbefragung vor, nach der der NutriScore als zu „informationsarm“ empfunden wird. Die Verbraucherschutz-Organisation foodwatch sieht in diesen Forderungen die Absicht, die NutriScore-Einführung zu verzögern (3).

Kommentar: Einfach Lobbyarbeit old style oder dreiste Desinformation? Die letzten Presse„informationen“ des Lebensmittelverbandes werfen diese Frage auf. Die Debatte um Front-of-Pack Labeling ging lange genug (vgl. hierzu das Editorial Ernährungs Umschau 01/2020) und die Notwendigkeit einer weitergehenden wissenschaftlichen Begleitung des NutriScore-Algorithmus ist Konsens. Forderungen wie die „Berücksichtigung der Verzehrsmengen“ sind jedoch Ablenkungsmanöver. Der NutriScore soll ja gerade helfen, die Fertigpizza A mit Fertigpizza B zu vergleichen, nicht etwa die Handvoll Kartoffelchips (der meist weitere folgen) mit einem Becher Joghurt. Und wenn der Verband gar „ausreichend Informationen, für eine informierte Kaufentscheidung“ wünscht – nun da gäbe es sicher Spielraum auf den Verpackungen und auf den Websites der Anbieter, nur leider ist dieser Raum meist schon für Werbung verplant.

Und gerade während dieser Kommentar zu den NutriScore-Wünschen des Lebensmittelverbandes geschrieben wird, kommt aus der gleichen Pipeline schon ein neues „Thesenpapier“ zur Lebensmittelkontrolle in Deutschland mit der frohen Botschaft zum Jahreswechsel: Alles ist gut, denn die Hersteller arbeiten „in aller Regel gewissenhaft und mit größtmöglichen Anstrengungen“. Kein Wort davon, dass die amtliche Lebensmittelkontrolle zusehends überlastet ist (4). Pech halt, wer die falsche Wurst erwischt!


Quellen:
1: www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2019/197-eNWK.html
2: www.lebensmittelverband.de/de/presse/pressemitteilungen/pm-20191203-nutri-score-rahmenbedingungen-anpassungen
3. www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2019/immer-mehr-lebensmittelhersteller-wollen-nutri-score-ampel-einfuehren-lebensmittelverband-stellt-sich-quer/
4. www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/foodwatch-jede-dritte-lebensmittelkontrolle-faellt-aus-a-1300687.html

Das könnte Sie interessieren
Änderungen bei Kennzeichnung und Zusammensetzung für Honig & Co. weiter
Vitamin-D-Präparate: Kein höheres Risiko für Nierensteine oder Arterienverkalkung weiter
Lebensmittelsicherheit: Immer häufiger Cannabinoide in Süßwaren weiter
Rolle der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) für die Ernährungsforschung weiter
Bunt und außer Kontrolle weiter
Alkohol – DGE-Positionspapier gibt Handlungsempfehlungen weiter