Editorial 05/10: Mit der Qualität ist das so eine Sache
- 03.05.2010
- Print-Artikel
- Redaktion
Prof. Dr. Helmut Erbersdobler
HerausgeberVor etwa 20 Jahren habe ich die Lebensmittelqualität wie folgt unterteilt und definiert :
„Sensorische Qualität (Genusswert), hygienische Qualität, ernährungsphysiologischer Wert, technisch funktionelle Eigenschaften, funktionell-präventive Eigenschaften (Functional Food) und die ökologische bzw. soziale Qualität.“
Unter dem Stichwort „ökologische und soziale Qualität“ verstand man damals v. a. die Nahrungskonkurrenz der tierischen Produktion, die Schonung der Regenwälder und den Tierschutz. Heute kommt der „ökologische Fußabdruck“ dazu, d. h. vorwiegend die erhöhte Produktion von klimarelevanten Gasen. Dieser Aspekt trifft mehr und mehr den „Lebensnerv“ der tierischen Produktion, da sie deutlich mehr Klimagase erzeugt als die pflanzliche Produktion (s. auch Ernährungs Umschau 2008, 55 [7]: 414–419 und 55[10]: 599–605 sowie Editorial 2009, 56[1]).
In einer Arbeit von Tara GARNETT* („Meat and Dairy Production & Consumption“ ) steht Folgendes:
„Wir müssen eine signifikante Reduktion unserer tierischen Produktion anstreben bei gleichzeitiger Maximierung des Benefits, den sie bringen kann. Derzeit sind Fleisch und Milchprodukte billiger und reichlicher im Angebot als je zuvor. [...] Wir müssen aber, kurz gesagt, weniger tierische Produkte essen und – wenn die Landwirtschaft überleben soll – mehr dafür bezahlen“.
Gemeinsam mit Joe MILWARD wurden daran anschließend Berechnungen angestellt, welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Nährstoffversorgung haben könnte*. Es wurde dabei festgestellt, dass bei einer deutlichen Reduktion der tierischen Lebensmittel die adäquate Proteinversorgung bei Älteren beeinträchtigt sein könnte; desgleichen die Lysinversorgung bei Kindern mit einseitiger vegetarischer Ernährung (die in der westlichen Welt kaum zu erwarten ist). Weiterhin wäre die Versorgung mit Kalzium, Jod, Vitamin B12 und Vitamin B2 und bei Kleinkindern möglicherweise Zink gefährdet. Daraus ergäben sich nach Ansicht der Autoren Herausforderungen für die Ernährungsberatung hinsichtlich einer angepassten Lebensmittelauswahl und ggf. einer sinnvollen Anreicherung der Lebensmittel.
Wie man sieht, kommt der ernährungsphysiologische Wert, fast schon totgesagt, wieder zu Ehren.
Auch der Aspekt des Tierschutzes wird immer wichtiger. Aber das ist eine andere Geschichte, auf die ich später einmal zurückkomme.
Mit diesem etwas anderen Blick auf die Lebensmittelqualität grüßt Sie
Ihr Helmut Erbersdobler
*D. Joe MILWARD and Tara GARNETT, Proceedings of the Nutrition Society (2010) 69:103–118; taragarnett@blueyonder.co.uk (Ich danke Herrn Prof. Dr. C. A. Barth für den Hinweis)