Editorial 09/03: Die Fast-Food-Falle
- 05.09.2003
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Prof. Dr. Helmut ErbersdoblerHelmut Erbersdobler, Kiel
Fast Food ist keineswegs eine Erfindung unserer Zeit. Schon in Pompeji boten Straßenrestaurants, die sog. thermopolia, das schnelle Essen an. Für viele Menschen waren die Speisen aus den Garküchen eine, vielleicht sogar die einzige Hauptmahlzeit des Tages. Dennoch waren schon in Pompeji Teile der Bevölkerung übergewichtig - und das, obwohl sich die Menschen damals mehr bewegen mussten als wir heute.
Aber auch das viel gerühmte Slow Food ist nicht unbedingt ein Garant für "gesundes" Essen. Denn in diesen Speisen können die Nährstoffdichten für Fett und gesättigte Fettsäuren ebenfalls weit über den Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften liegen. Das zeigen Nährwertberechnungen für sog. Menüs des Monats, die in einer bekannten Food-Zeitschrift veröffentlicht wurden. Die Kontroverse zwischen Fast und Slow Food beleuchtet der Artikel auf Seite 344ff.
Unser Problem ist offensichtlich eher das Phänomen "too much"; denn wir können mit dem vielfältigen Angebot – Stichwort: Schlaraffenland – einfach nicht richtig umgehen. Dies gilt umso mehr, als uns in letzter Zeit immer größere Gebinde bzw. Portionen schmackhaft gemacht werden. Nach dem Motto "Zum selben Preis dürfen Sie mehr essen" wird der Wunsch der Verbraucher, möglichst viel für wenig Geld zu kaufen, geschickt genutzt. Nicht immer, aber immer öfter isst man dann tatsächlich mehr und unter Umständen auch zu viel, wie die Arbeit auf Seite 340 ff. zeigt. Fast Food, früher eine beliebte und nicht immer ungesunde Zwischenmahlzeit, ist zu einem Hauptgericht geworden, ohne dass man es merkt. In diese Falle tappen viele von uns immer wieder.
Ähnliches lässt sich beim Konsum alkoholischer Getränke beobachten: So leert man an einem Abend die Literflasche Wein – dabei wäre man mit der 0,75 l-Flasche ebenfalls zufrieden gewesen. Apropos Wein: Der Trend zur Erhöhung der Alkoholgehalte wird inzwischen selbst von renommierten Weinfachleuten kritisiert. Selbst beim Riesling, der früher mit 9 bis 11 Volumenprozent Alkohol zart-duftig mundete, findet man heute häufig 12,5 Volumenprozent. Vergleichbare Entwicklungen gibt es bei Lebensmitteln, etwa im Hinblick auf die Fettgehalte beliebter Käsesorten.
Schon diese wenigen Beispiele machen deutlich: Die meisten Verbraucher wählen Lebensmittel keineswegs nach ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten aus. Sie müssen noch lernen, die Vielfalt des heutigen Angebots auch unter gesundheitlichen Aspekten sinnvoll zu nutzen.
Was können wir tun? Es ist meines Erachtens nicht sinnvoll, pauschal gegen Fast Food zu wettern, da es einem Bedürfnis der Menschen entgegen kommt – in unserer schnelllebigen Zeit noch stärker als damals in Pompeji. Vielmehr müssen Ernährungsfachkräfte gemeinsam mit wichtigen Fast-Food-Anbietern Strategien entwickeln, um der rasanten Zunahme an Übergewichtigen, besonders unter den Kindern, entgegen zu wirken. Dazu reicht die Erweiterung der Spielangebote vor den Restaurants nicht aus. Das erinnert mich eher an den Kalauer: "Ich bin nicht zu schwer, sondern nur zu kurz für mein Gewicht". Es müssen zusätzlich "schlanke" Angebote aufgetischt werden: energiearme (fettarme) Gerichte, mehr Obst und Gemüse, ballaststoffreiche Getreideprodukte und geeignete Getränke.
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