Universität Bielefeld: Deutsche Jugendliche finden sich zu dick
- 06.06.2012
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Jedes zweite 15-jährige deutsche Mädchen und jeder dritte Junge in diesem Alter finden sich zu dick – selbst wenn sie objektiv gar nicht übergewichtig sind. „Damit sind die deutschen Jugendlichen traurige Spitzenreiter in Sachen Körperunzufriedenheit“, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Professorin Dr. Petra KOLIP von der Universität Bielefeld. Sie hat den deutschen Teil der Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ geleitet.
Die Studie zum Gesundheitsverhalten von Schulkindern wurde unter Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation WHO in 39 Ländern und Regionen Europas und Nordamerikas durchgeführt. Ihre Ergebnisse sind Anfang Mai in Edinburgh, Großbritannien, vorgestellt worden.
Die deutsche Teilstudie hat das Bielefelder „WHO Collaborating Centre for Child and Adolescent Health Promotion“ (Kollaborationszentrum der Weltgesundheitsorganisation zur Kinder- und Jugendgesundheitsförderung) unter Leitung von Prof. Petra KOLIP von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld koordiniert. Der Vergleich der deutschen mit den internationalen Daten zeigt: Deutsche Mädchen und Jungen schätzen sich am häufigsten als zu dick ein. Allen Ländern gemeinsam ist, dass die Unzufriedenheit mit dem Körper mit dem Alter steigt. Bei den 15-Jährigen geben 53 % der Mädchen und 36 % der Jungen an, sich zu dick zu finden.
In der HBSC-Studie wurden die Jugendlichen nicht nur zu ihrem Körperbild befragt, sondern auch zu Körpergewicht und Diätverhalten. Auffällig dabei ist, dass der Zusammenhang zwischen körperlicher Unzufriedenheit und dem tatsächlichen Körpergewicht verzerrt ist. Viele normalgewichtige deutsche 15-Jährige empfinden sich als zu dick, nämlich 50 % der Mädchen und 30 % der Jungen. Das gibt nach Aussage der Forscher aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht Anlass zur Sorge, denn Folgen dieser Fehleinschätzung seien häufige Diäten, Unzufriedenheit und eine erhöhte psychische Belastung.
Besonders auffällig ist der Geschlechtsunterschied in der Selbstwahrnehmung, der sich in allen Ländern zeigt. Dass sich mehr Mädchen als Jungen als zu dick beschreiben, lässt sich unter anderem damit erklären, dass sich Mädchen durch die körperlichen Veränderungen mehr vom gängigen Schlankheitsideal entfernen: Mit der Pubertät runden sich die Hüften, die Körperformen werden weicher. Jungen hingegen nähern sich dem Schönheitsideal an – allerdings sind auch sie vermehrt einem Körperkult ausgesetzt. Nur in einer kleinen Anzahl von Ländern, darunter auch Deutschland, besteht auch ein Zusammenhang zwischen Körperbild und familiärem Wohlstand: Je höher der Wohlstand, desto zufriedener sind die Jugendlichen mit ihrem Körperäußeren.
Das Bielefelder Forschungsteam folgert aus den Daten, dass die Körperwahrnehmung stärker in Überlegungen zu Prävention und Gesundheitsförderung eingeschlossen werden muss. Denn ein negatives Körperbild könne sich ungünstig auf Körperzufriedenheit und Wohlbefinden auswirken und ungesunde Ernährungspraktiken sowie Essstörungen verursachen. Nicht zuletzt die Medien verbreiteten ein unerreichbares Schlankheitsideal für Mädchen und ein athletisches und muskulöses Körperideal für Jungen. Den Forschern zufolge sollten insbesondere Eltern, Freunde, Lehrerinnen und Lehrer dafür sensibilisiert werden, dass ihre Reaktion auf die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen zu ihrer Zufriedenheit beitragen und in der Folge auch einen gesunden Lebensstil bewirken kann.
Der internationale Bericht zur Studie „Health Behaviour in School-aged Children“ (Befragung 2009/2010) ist unter dem Titel „Soziale Determinanten der Gesundheit und des Wohlbefindens junger Menschen“ erschienen. In Deutschland wurde die HBSC-Studie bereits zum fünften Mal durchgeführt. Weitere Informationen: www.hbsc-germany.de/downloads, Kontakt: Professorin Dr. Petra KOLIP, Universität Bielefeld (petra.kolip@uni-bielefeld.de), Dr. Jens BUCKSCH (jens.bucksch@uni-bielefeld.de), Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld. Quelle: Universität Bielefeld, Pressemeldung vom 15.05.2012
Den Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 07/12 auf Seite 366.