Editorial 4/2020: Genuss, Zufriedenheit und Gesundheit

MarketingexpertInnen kennen seit Jahren die wahren Gründe, warum wir uns in normalen Zeiten für den Kauf bestimmter Lebensmittel entscheiden. Viele Lebensmittel gelangen aufgrund habitueller Kaufentscheidungen in unseren Einkaufswagen: Gewohnheitsmäßig wählen wir Woche für Woche aus dem Riesenangebot des Lebensmittelmarkts mit unserem Standardrepertoire jene Produkte aus, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben, mit denen wir geschmacklich, preislich und vielleicht auch aus gesundheitlicher oder ökologischer Sicht zufrieden waren.

Darüber hinaus fällen wir aber oft auch impulsive Kaufentscheidungen und am point of sale finden Produkte spontan den Weg in unseren Einkaufswagen, die wir eigentlich gar nicht auf unserem Zettel hatten. Durch ansprechende Präsentation, Super(billig)preise, Probierhäppchen und aus der verlockenden Werbung wiedererkannte Produkte lassen wir uns in Erwartung zusätzlicher positiver Emotionen gern verführen. Sophie Hieke und Klaus Grunert helfen uns in ihrem Beitrag (=> S. M214), das übliche Entscheidungsverhalten von VerbraucherInnen besser zu verstehen und zeigen europaweit bestehende, unterschiedliche Akzentuierungen auf. Bisher sind die Haupttreiber für unser Kaufentscheidungen meistens Genuss und Gesundheit: Wenn der Geschmack und Genuss eines Lebensmittels Zufriedenheit auslösen, dann führt das zu Ruhe und Entspannung, was als gut für die Gesundheit empfunden wird. Diese gefühlte Reaktionskette wird seit langem in der Lebensmittelherstellung bzw. im Lebensmittelmarketing genutzt.

In der aktuellen, von Corona geprägten Zeit1 mit stark verändertem, teilweise irrationalem Einkaufsverhalten und auch danach wird sich zeigen, ob unsere bisherigen, in einer Überflussgesellschaft entwickelten verhaltenswissenschaftlichen Modelle und sozialwissenschaftlichen Studien weiterhin tragfähig sind, oder ob wir diese an der einen oder anderen Stelle – vor dem Hintergrund von nur noch halbvollen Regalen und einer gefühlten Mangelsituation – ergänzen müssen. In den nächsten Monaten wird sich auch zeigen, ob die Produktion und die transnationalen Warenströme von Lebensmitteln von der globalen Pandemie verschont bleiben oder ob wir – wie in China geschehen – schon bald das Internet nach erprobten Quarantänerezepten und -gerichten durchforsten werden.

Bleiben Sie gesund!

Ihr Helmut Heseker
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1 Die Corona-Pandemie hat auch unsere redaktionellen Abläufe durcheinandergewirbelt – das für diese Ausgabe angekündigte Special zum Thema Fermentation erscheint in der Mai-Ausgabe.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2020 auf Seite M185.

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