Essstörungen: Auswirkungen der Magersucht auf die graue Substanz der Hirnrinde

Anorexia nervosa beeinflusst die
Anatomie des Gehirns. Diese Um-
bildungen sind bei erfolgreicher
Therapie der Magersucht aber
reversibel.

Die Essstörung Anorexia nervosa wirkt sich nicht nur auf verschiedene Organsysteme aus – bei vollständiger Ausprägung verringert sich auch die Dicke der grauen Substanz im Gehirn, v. a. in der Hirnrinde. Ob sich dieser Prozess bei erfolgreicher Heilung rückgängig machen lässt, untersuchte ein Forscherteam um Stefan Ehrlich, Professor für Angewandte Entwicklungsneurowissenschaften an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Universitätsklinikum Dresden.

In ihrer Publikation im Journal Biological Psychiatry berichten die Dresdner Forscher, dass sich die graue Substanz bei vollständiger Therapie der Essstörung meist komplett wiederherstellt. In bisherigen Studien konnten Veränderungen des Volumens und der Dichte der grauen Substanz nicht näher eingegrenzt werden. Die Dresdner Wissenschaftler erfassten nun die Dicke der Hirnrinde an einer großen Stichprobe von Patientinnen mit Anorexia nervosa mithilfe eines hochauflösenden Magnetresonanztomografen an über 100 000 verschiedenen Punkten sub-millimetergenau. Gefunden wurde eine drastisch verringerte Dicke der Hirnrinde in fast allen Bereichen des Großhirns; und auch in der Tiefe des Gehirns war das Volumen der grauen Substanz verringert.

„Das Ausmaß der Veränderungen am Hirn, also die Verringerung der Dicke der grauen Substanz infolge einer akuten Magersucht, ist den bei einer Alzheimer-Erkrankung beobachtbaren Abbauprozessen sehr ähnlich“, beschreibt Professor Ehrlich die Folgen der Anorexia nervosa. Die Messungen bei den Studienteilnehmern erfolgten zum Zeitpunkt der Aufnahme am Dresdner Universitätsklinikum und im Schnitt 12 Monate nach einer erfolgreich abgeschlossenen Therapie mit vollständiger Herstellung des Normalgewichts, normalem Essverhalten und mit einer normalen Menstruation.

Etwa 50 % der behandelten Patienten können langfristig diese Kriterien erreichen – es ist für die Betroffenen jedoch ein harter Weg bis zu einer völligen und dauerhaften Heilung. „In unserer Stichprobe konnten wir bei den erfolgreich therapierten Patientinnen eine vollständige Wiederherstellung der Schichtdicke der grauen Substanz beobachten“, erläutert Professor Ehrlich das Ergebnis. Die Veränderungen im Gehirn sind also bei vollständiger Heilung reversibel. Für andere Folgen der Anorexia nervosa trifft das nicht immer zu – zu den langfristigen irreversiblen Folgen der Magersucht zählt u. a. das höhere Risiko einer Osteoporose.

Literatur:
1. King JA, Geisler D, Ritschel F et al. (2014) Global cortical thinning in acute anorexia nervosa normalizes following long-term weight restoration. Biol Psychiatry [published online: September 20, 2014]

Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Pressemeldung vom 03.12.2014

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 01/15 auf Seite M5.

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