Probiotika für die Psyche: Wie Darmbakterien unsere psychische Gesundheit beeinflussen können

  • 10.03.2021
  • Print-Artikel
  • Hanna Huber
  • Rieke Sproten
  • Marie-Christine Simon

free access to english version

Peer-Review-Verfahren / Manuskript (Übersicht) eingereicht: 14. Mai 2020 / Überarbeitung angenommen: 11. September 2020

Einleitung

Mit bis zu 1013 Bakterien und mehr als 100 verschiedenen Bakterienspezies beherbergt der Gastrointestinaltrakt den größten Anteil des physiologischen menschlichen Mikrobioms. Die Bakterien sind hauptsächlich Kommensalen und leben in Symbiose mit ihrem Wirt. Die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnde Mikroorganismen, eingenommen ihres genetischen Materials, wird als Mikrobiom bezeichnet. Die Entwicklung des menschlichen Mikrobioms ist ein komplexer Prozess, der ausschlaggebend für die Physiologie des Organismus ist und mit der Geburt beginnt. Der fetale, keimfreie Darm wird während der Geburt mit Mikroorganismen aus dem Geburtskanal bzw. von der Haut der Mutter besiedelt. Im weiteren Verlauf des Lebens verändert sich das Mikrobiom kontinuierlich. Einflussfaktoren wie Genetik, Alter, Geschlecht, Geografie, Ernährung, Stress und Gesundheitszustand können sich hierbei auf die Vielfalt und Zusammensetzung der Darmmikroorganismen auswirken [1].

Unser Verständnis über die Komplexität und Diversität des Mikrobioms verdanken wir hauptsächlich dem Fortschritt in der Sequenzierungstechnologie, die eine detaillierte Analyse aller den Mensch besiedelnden Bakterien und Viren ermöglicht [2]. Heutzutage ist bekannt, dass die Darmmikroorganismen nicht nur eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der gesunden Homöostase, sondern auch bei der Pathogenese einer Vielzahl von Erkrankungen spielen.

Abstract

Der menschliche Darm mit seiner komplexen mikrobiellen Lebensgemeinschaft ist verstärkt ins Forschungsfeld der Neurowissenschaften gerückt. Aktuelle Studien zeigten, dass der Darm und die im Darm lebenden Mikroorganismen, die sogenannte Darmmikrobiota, bidirektional mit dem zentralen Nervensystem (ZNS) kommunizieren und hierdurch Gehirnfunktionen und Verhalten beeinflussen können. Störungen dieses Kommunikationssystems, welches auch als „Darm-Hirn-Achse“ bezeichnet wird, können an der Entstehung von neurologischen und psychischen Erkrankungen beteiligt sein. Präklinische und klinische Studien weisen darauf hin, dass der Einsatz von Probiotika eine Modulation der Darmmikrobiota induziert und sich günstig auf besagte Erkrankungen auswirken kann. Durch die Aufklärung der zugrundeliegenden Mechanismen und mittels weiterer klinischer Studien könnten Probiotika möglicherweise in naher Zukunft als neuer Lösungsansatz zur Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen in Betracht gezogen werden.

Schlüsselwörter: Mikrobiota, Darm-Hirn-Achse, Probiotika, Depression, Angststörungen, Psyche, „Psychobiotika“



Peer reviewed / Manuscript (original) submitted: 14 May 2020 / Revision accepted: 11 September 2020

Abstract

The human gut with its complex microbial community, the so-called gut microbiota, is also of relevance for the research field of neuroscience. Recent studies have shown that the gut and the microorganisms living in the gut, communicate bidirectionally with the central nervous system and may influence brain functions and behavior. Disorders of this bidirectional communication system, also known as ‘gut-brain axis’, might be involved in the development of neurological and mental disorders. Preclinical and clinical studies indicate that probiotics modulate the gut microbiota and therewith may have a preventive effect on progression of neurological and mental diseases. By elucidating the underlying mechanisms and performing further clinical trials, probiotics may possibly be considered as a new approach for the treatment of mental illnesses such as depression and anxiety disorders.

Keywords: microbiota, gut-brain axis, probiotics, depression, anxiety, mind, “psychobiotics”

Full text PDF (free version)

https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode



Den vollständigen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2021 von Seite M132 bis M140.

PDF Artikel Download für Abonnenten:

Das könnte Sie interessieren
Neuerscheinung: Sonderheft “Ernährungspsychologie” weiter
#Ernährungstrend und der Zeitgeist weiter
© Rosendo Serrano Valera/iStock/Getty Images Plus
Supportives Fasten bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus weiter
Erfolgreiche Nachwuchsförderung durch den OECOTROPHICA-Preis des Berufsverbandes weiter
Ernährung als Schlüssel zur Prävention und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiter
Frühstücken in der Schule? weiter