Editorial 07/03: Mit der Motivation fängt alles an
- 10.07.2003
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Prof. Dr. Helmut HesekerHelmut Heseker, Mitglied des Redaktionsbeirates Bleibt zu hoffen, dass der gleichnamige Kongress im Juli in Berlin am Anfang einer langen, erfolgreichen Präventionskampagne steht, die zu einer spürbaren Senkung der Kosten im Gesundheitswesen führt.
Ja, Prävention kann erfolgreich sein. Wir – die über 40-Jährigen – zählen zwar hinsichtlich der Zahngesundheit zu den verlorenen Generationen mit einem DMFT-Index von deutlich über 15 und sind daher immens teuer für die Krankenkassen. Aber die Hälfte aller 12-Jährigen ist heute kariesfrei dank eines umfangreichen Präventionsmixes, bestehend aus konsequenter Ernährungserziehung, frühzeitiger Fluoridapplikation, regelmäßigen zahnärztlichen Kontrollen und sanften Sanktionen. Diese Maßnahmen sind so erfolgreich, dass Zahnärzte in der Schweiz bereits über einen Rückgang der Einnahmen klagen sollen. Solche Präventionsmodelle sollten uns Mut machen, eines Tages auch die weniger schmerzhafte, aber umso gewichtigere Übergewichtsproblematik in den Griff zu bekommen.
Die Adipositas wird schon jetzt als das Gesundheitsproblem des 21. Jahrhunderts bezeichnet. In erschreckend hohem Maße sind inzwischen auch Kinder und Jugendliche betroffen; viele leiden bereits an Diabetes mellitus, Hypertonie und Co. Es wird immer deutlicher, dass diese Epidemie durch einfache Appelle und rein medizinische Ansätze nicht einzudämmen ist. Dabei sind die Ursachen und Folgen hinreichend bekannt.
Viele Indizien deuten darauf hin, dass in Deutschland immer noch nicht ausreichend Motivation besteht, das Problem Übergewicht konsequent anzugehen. Wie sonst ist zu erklären, dass viele Eltern und Ärzte übergewichtige Kinder immer noch eher für besonders gut gediehen halten und einen Interventionsbedarf negieren; dass ein verbindliches schulisches Curriculum, welches eine gesundheitsorientierte Ernährungsweise thematisiert, bis heute nicht existiert und dies trotz zahlreicher Ansätze, die es hierfür gibt ; dass Ernährungsthemen in Schulen überwiegend fachfremd unterrichtet werden; dass sich Sportunterricht mehr an der Leistungsfähigkeit schlanker, sportlicher Kinder und weniger an der Verbesserung der Energiebilanz aller Schüler orientiert; dass die Presse in der Verbreitung von (unsinnigen) Diäten eine wesentliche Geschäftsgrundlage sieht, anstatt die weniger spektakuläre Prävention zu fördern? Und dies sind nur einige wenige Beispiele.
Daher haben sich wissenschaftliche Fachgesellschaften und inzwischen auch Politiker auf den mühsamen Weg gemacht, die Menschen für dieses Problem zu sensibilisieren und die Beseitigung offensichtlich bestehender Defizite einzufordern. So hat die DGE im vergangenen Jahr u. a. einen Arbeitskreis "Ernährung und Schule" (vgl. Ernährungs-Umschau 3/2003, S. B9 ff., u. 4/2003, S. B13 ff.) eingerichtet. Das Bundesverbraucherministerium hat das Thema "Kinder und Ernährung" zu einem Arbeitsschwerpunkt gemacht, um in einer konzertierten Aktion aller Beteiligten – Kinder, Eltern, Schulen, Kindertagesstätten, Multiplikatoren im Gesundheitswesen, Sportvereine, Wissenschaft, Ernährungswirtschaft, Lebensmittelhandel, Medien und Politik – nach Wegen für eine erfolgreiche Prävention von Übergewicht bei Kindern zu suchen.