Alimentum ultimum 09/02 (Das letzte Gericht)
- 10.09.2002
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- Redaktion
Johannes
God bless the nutrition scientists of Oxford and the high security-prison of Ashlesbury! Mit ihrer Hilfe seien endlich die letzten Grenzen jener Sucht durchbrochen worden, die Hans Glatzel einst als "Vitamanie" gebrandmarkt habe, erwähne ich beiläufig beim Besuch meiner Berliner Cousine Elvira. Denn wer hätte gedacht, dass man mit Vitaminen einmal Aggressionen Jugendlicher abbauen und beispielsweise auf Grafitti Versessene, Hooligans oder ausländerfeindliche Glatzen ruhig stellen könnte.
Ehemann Erwin sieht darin sofort umgangs-, sicherheits- und wirtschaftspolitische Chancen für den Ausgang der Parlamentswahlen, zumal selbst das Robert-Koch-Institut der DGE jüngst bescheinigt habe, deren Empfehlungen nachzukommen, sei gar nicht so einfach. Die Pharma- und Lebensmittelindustrie habe dies sicher mit vergleichbarer Befriedigung quittiert wie das offenbar gewordene Übergreifen des klassische citius, altius, fortius vom Sport und von der Wirtschaft auf die Politik sowie die zur Normalität gewordene Maßlosigkeit und das zum Prinzip erhobene "everything goes". Cicero- und Bibelausleger hätten solches Treiben ohnehin längst mit "O miles! O mores!" und "Selig sind die Einäugigen!" kommentiert.
Auf Erwins ablenkende Frage nach der Glaubhaftigkeit unterschiedlicher Wahlprognosen von Meinungsforschungsinstituten weiß ich nur zu antworten, dass ein bedeutender Staatsmann bereits vor den Zeiten einer barocken Brassicaceae-Ausformungen zugeneigten Kassandra aus Allensbach versichert habe, nur selbst gefälschten Statistiken zu trauen. Allerdings, betone ich, auf Ernährungsepidemiologen zu schießen, brauchte man deswegen nicht. Die hätten Nachwuchssorgen genug und müssten bereits in "Summer Schools" allernötigste Grundkenntnisse vermitteln, um Auswirkungen von Nahrungsbestandteilen auf die Gesundheit herauszufinden.
Na, da hätten die aber jetzt viel zu tun, meint Erwin angesichts der Entsorgung von Arzneimittelrückständen auf dem Wege der Tiererfütterung. Immerhin, spekuliert er, könnten sich auf diese Weise neue Zugänge für funktionelle Lebensmittel und die Prävention degenerativer Krankheiten eröffnen, beispielsweise für Pharmaschinken (SZ-Terminus) mit weiblichen Sexualhormonen gegen Prostatakrebs. Vielleicht, wirft Elvira dazwischen, ließe sich so auch einer Zerebralsklerose vorbeugen, zumindest (mit Blick auf Erwin) einer zölibatären. Möge uns fortan regieren und reglementieren, wer wolle, breche ich die Peinlichkeit ab, Deutschlands Nutrigenomiker würden schon nicht ruhen, bis jedermann nach der Fasson seiner Gene satt, zufrieden und glücklich werde. Merke also: Alles wird gut. EU09/02