Editorial 10/12: Wissenschafts-Comedy

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler,
Herausgeber

Nachstehend prangere ich schon wieder die Medien an – diesmal geht es um die auf allen TV-Kanälen beliebten Vergleichstests. Typisch war kürzlich ein Test über den Paketversand in Deutschland. Da wurden vier Pakete von vier Anbietern – ausgestattet mit Messröhrchen und zerbrechlichem Glas – quer durch Deutschland geschickt. Die Ergebnisse (nur ein Paket kam zeitgerecht an, zwei hatten Bruchschäden) präsentierte man doch tatsächlich als aussagekräftig.

Tests zu Lebensmittel-Themen sind oft ähnlich gestrickt. Noch zu vertreten sind Stichproben am point of sale auf den Gebieten der Hygiene oder zum Schutz vor Verbrauchertäuschung. Salmonellen in Hackfleisch, das darf nicht sein, auch nicht in einer einzelnen Stichprobe. „Hofeigene“ Eier am Markt dürfen nicht aus dem Ausland stammen oder gar nicht gestempelt sein. Aber auch hier kann man bei Missständen nur den einzelnen Betrieb rügen, und nicht z. B. die ganze Handelskette.

Trotzdem sollte man derartige Tests häufiger durchführen, um einen Überblick zu bekommen, wo die „schwarzen Schafe“ sitzen. Ich selbst weiß z. B. nicht, wem ich mehr vertrauen darf, dem Angebot im Supermarkt oder dem Händler auf dem Markt. Ganz unmöglich ist es jedoch, wenn z. B. in nur vier Kaffeeshops jeweils zwei Becher Kaffee ‚to go‘ gekauft und hinsichtlich des Preises, der Menge und des Geschmacks verglichen werden. Auch wenn die Kettenbetriebe dieselben Herkünfte, technischen Einrichtungen etc. verwenden, sind individuelle Schwankungen von Betrieb zu Betrieb möglich.

Derartige Vergleichstests – ob bei Fast Food-Betrieben, zu Angeboten von Fertiggerichten oder Getränken – gibt es in den Medien zu Hauf. Mir geht es dabei weniger um die Gefahr, dass Handelsfirmen zu Unrecht pauschal diffamiert werden, sondern darum, dass die Verbraucher falsch informiert und erzogen werden. Hier ist das Vorgehen der Stiftung Warentest vorbildlich, welche klar dokumentiert, wo, welche und wie viele Proben gezogen wurden, wie geprüft wurde und wie das Urteil zustande kam.

Sicher, Verbrauchermagazine im Fernsehen können meist keine wochenlangen Studien betreiben. Dann sollen sie aber ihre Wertung entsprechend differenzieren und/oder sich auf Aussagen beschränken, die sich durch das Testverfahren bzw. die Stichprobengröße belegen lassen. Offensichtlich müssen die Grundlagen der Statistik in manchen Medien erst etabliert werden.

Ohne diese Grundvoraussetzungen jeder Wissenschaft sind die Urteile, denen die Konsumenten leider viel zu gerne Glauben schenken, ungerechtfertigt und anmaßend. Schade um das viele Geld, das hier verbrannt wird. Ich habe häufig den Verdacht, dass dies nicht aus Ignoranz geschieht, sondern um „Klamauk für die Quote“ zu produzieren. Quasi Wissenschafts Comedy! – Na dann!

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Helmut Erbersdobler


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