Aktuelles Interview: Sind MCT-Fette die ``Fettsensation´´?

MCT-Fette werden schon lange als diätetische Lebensmittel bei bestimmten Erkrankungen eingesetzt. In letzter Zeit wird ihr Einsatz auch im Rahmen einer Reduktionsdiät propagiert. Über die Bedeutung von MCT-Fetten in der Ernährung – insbesondere übergewichtiger, aber sonst gesunder Personen – sprachen wir mit Prof. Dr. Günther Wolfram von der Technischen Universität München-Weihenstephan.


Herr Professor Wolfram, was sind MCT-Fette?

Triglyceride mit Fettsäuren mittlerer Kettenlänge werden als MCT-Fette bezeichnet. Sie enthalten gesättigte Fettsäuren mittlerer Kettenlänge, im Wesentlichen mit 6 (Capronsäure), 8 (Caprylsäure) und 10 (Caprinsäure) Kohlenstoffatomen. Die Abgrenzung der mittelkettigen Fettsäuren von den langkettigen erfolgt im Bereich der Ernährung am besten auf Grund des Verhaltens beim Transport aus dem Darm und im Stoffwechsel.

Wie werden MCT-Fette verstoffwechselt?

Mit der Nahrung aufgenommene mittelkettige Fettsäuren werden im Darm leicht emulgiert und rasch, gespalten bzw. auch ungespalten, durch die Wand der Darmepithelzellen aufgenommen. Dafür sind weder die Anwesenheit von Gallensäuren noch Pankreaslipase erforderlich. Über die Pfortader werden sie an Albumin gebunden zur Leber transportiert. Dagegen werden längerkettige Fettsäuren mit mehr als 12 Kohlenstoffatomen (Laurinsäure) überwiegend und langkettige Triglyceride (LCT = long chain triglycerides) vollständig in Chylomikronen eingebaut und erreichen über den Lymphweg das Blut. Dort verursachen sie dann eine postprandiale Hypertriglyceridämie. Diese Transportwege werden wegen der strukturell bedingten physikochemischen Eigenschaften der Fettsäuren eingehalten.

Im Gegensatz zu langkettigen werden mittelkettige Fettsäuren in den Leberzellen unabhängig von dem Carnitin-Transferase-System in die Wand der Mitochondrien transportiert und dort zu C2-Bausteinen (Acetat) abgebaut. Das Acetat dient als Baustein für neue Synthesen, z. B. von Ketonkörpern, Fettsäuren, Cholesterin, oder zur Energiegewinnung mittels b -Oxidation. Beim Abbau werden MCT gegenüber LCT eindeutig bevorzugt. Aus diesem Grund findet man in den Triglyceriden des Fettgewebes keine mittelkettigen Fettsäuren. Überschüssige Energie wird immer in Form von Triglyceriden mit langkettigen Fettsäuren, die auch in einer fettarmen Kost enthalten sind, gespeichert. Zwar werden mittelkettige Fettsäuren nicht gespeichert, dennoch können sie bei einer überkalorischen Ernährung zur Entstehung von Übergewicht beitragen. Bei parenteraler Zufuhr, z. B. bei künstlicher Ernährung über die Vene, werden MCT auch vom Muskel und anderen Organen rascher als LCT aufgenommen und ebenso bevorzugt zur Energiegewinnung abgebaut.

Wofür wurden MCT-Fette entwickelt?

MCT gewinnt man aus Kokosöl. Sie werden als diätetisches Lebensmittel bei Patienten mit Fettabsorptionsstörungen bzw. mit Lipoproteinlipasemangel eingesetzt. MCT sind, verglichen mit LCT, wesentlich besser löslich und können auch ungespalten durch die Darmwand absorbiert werden. Sie werden nicht in Chylomikronen eingebaut, sondern über die Pfortader zur Leber transportiert. Dagegen können langkettige Fettsäuren erst nach Aufspaltung der Triglyceride durch Lipoproteinlipase freigesetzt und verwertet werden.

Wo werden MCT heute eingesetzt?

MCT-Fette werden genutzt für Patienten mit Fettabsorptionsstörungen (z. B. Zustand nach Magen- oder Darmresektionen, verminderte Gallensekretion, exokrine Pankreasinsuffizienz, Mukoviszidose), mit einer Beeinträchtigung der Lipoproteinlipasefunktion (z. B. Hyperlilpoproteinämie Typ I oder V), bei Lymphabflussstörungen und im Rahmen einer ketogenen Kost zur Vermeidung von Krampfanfällen bei Kindern. Die Zahl dieser Patienten ist nicht sehr groß.

Wichtig ist, dass beim Einsatz von MCT die Zufuhr essentieller Fettsäuren sicher gestellt wird. Auch die Versorgung mit und die Absorption von fettlöslichen Vitaminen (A, D, E und K) muss gewährleistet werden.

Wie hoch ist der Gehalt an MCT-Fetten in einer üblichen Ernährung?

Kurzkettige Fettsäuren mit weniger als 6 Kohlenstoffatomen kommen in den bei uns üblichen Lebensmitteln kaum vor. Nur in Milch finden sich geringe Mengen. Legt man die im Ernährungsbericht 2000 angegebenen Fettquellen zu Grunde, so nimmt ein junger Mann mit Milch und Milchprodukten und vielleicht geringen Mengen Palm- oder Kokosöl pro Tag etwa 2 g MCT auf.

Haben MCT-Fette für die Ernährung des Gesunden Bedeutung bzw. welchen Vor- oder Nachteil hätte der Ersatz von langkettigen Fettsäuren durch mittelkettige Fettsäuren in der Ernährung des Gesunden?

Auf Grund der chemischen Struktur ist der Energiegehalt mittelkettiger Fettsäuren geringer als der langkettiger Fettsäuren. 1 g n-Butansäure (Buttersäure) liefert 6 kcal, 1 g n-Octansäure 7,9 kcal und 1 g n-Decansäure 8,5 kcal. N-Hexadecansäure (Palmitinsäure) hat dagegen 9,3 kcal pro 1 g.

Außerdem verursachen MCT-Fette eine höhere postprandiale Thermogenese und damit einen etwas größeren Energieverbrauch als die üblichen Triglyceride. Denn die Wärmeproduktion wird nach dem Verzehr mittelkettiger Fettsäuren um etwa 9 % erhöht, nach dem Verzehr langkettiger nur um 3 %. Beide Eigenschaften könnte man bei unseren derzeitigen Ernährungsgewohnheiten mit einer häufig positiven Energiebilanz als Vorteile der MCT-Fette interpretieren. Zudem verursachen MCT, im Gegensatz zu Laurinsäure und den längerkettigen gesättigten Fettsäuren, keinen Anstieg der Plasmacholesterinkonzentration.

Allerdings sind auch physikalische Unterschiede zu beachten. MCT haben im Vergleich zu den LCT einen deutlich niedrigeren Schmelzpunkt und können nicht, wie beim Braten oft üblich, hoch erhitzt werden, da der Qualmpunkt bei ca. 130 °C liegt. Den relativ geringen energetischen Vorteilen von MCT-Fetten stehen also küchentechnische Nachteile gegenüber. Darüber hinaus weicht ihr Geschmack von dem üblicher Fette etwas ab.

Ohne vorherige Gewöhnung können bei der Aufnahme größerer MCT-Mengen (> 50-80 g pro Tag) unerwünschten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Leibschmerzen, Blähungen und Durchfall auftreten. Daher sollte die Aufnahme anfangs auf 20 g pro Tag beschränkt und die Dosis langsam pro Tag um 10 g gesteigert werden. Die Gesamtfettmenge muss individuell angepasst werden.

Wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, durch den Einsatz von MCT-Fetten in der Ernährung der Entstehung von Übergewicht vorzubeugen oder bestehendes Übergewicht zu reduzieren?

MCT-Fette haben einen um etwa 10 % niedrigeren Energiegehalt und verursachen gleichzeitig eine höhere postprandiale Thermogenese als LCT-Fette. Diese Eigenschaften sprechen für einen geringeren energetischen Wirkungsgrad und verheißen tatsächlich zunächst die Möglichkeit, der Entstehung von Übergewicht vorzubeugen. Bei Verwendung von MCT-Fetten als Streich- und Zubereitungsfett können maximal 80-120 kcal pro Tag eingespart werden. Daher stellt sich die Frage, ob dieser begrenzte Vorteil für den Gesunden die Nachteile von MCT-Fetten beim Einsatz als Streich- und Zubereitungsfett aufwiegt. Untersuchungen über einen Zeitraum von zwei Wochen haben darüber hinaus ergeben, dass die geschilderten Vorteile hinsichtlich der Energiebilanz durch Anpassungsmechanismen im Stoffwechsel bereits in der zweiten Woche der Anwendung wieder abklingen.

Zusammenfassend sind MCT-Fette als diätetische Lebensmittel bei Maldigestion und Malabsorption, Lymphabflussstörungen und in einer ketogenen Diät sowie als günstige Energiequelle in Fettemulsionen für die parenterale Ernährung seit vielen Jahren erprobt und allgemein anerkannt. Als "Fettsensation" bei der Gewichtsreduktion und der Vorbeugung von Übergewicht müsste sich MCT-Fett erst noch bewähren. Die Chancen dafür sind allerdings nicht so gut. EU12/01

Herr Professor Wolfram, herzlichen Dank!

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