Editorial 01/13: Meine erste Pizza
- 11.01.2013
- Print-Artikel
- Redaktion
Prof. Dr. Helmut Erbersdobler,
Herausgeber
Es war im August 1962 in Civitavecchia Porto am Fähranleger. Ich hatte zuvor noch nie eine Pizza gesehen, weder am Vortag in Florenz noch zwei Jahre zuvor am Gardasee. Wir waren begeistert und Pizzen blieben für uns über drei Wochen auf Sardinien die Hauptspeise.
Damals war die Pizza nur in Großraum Neapel und Rom verbreitet. Bald danach begann sie ihren weltweiten Siegeszug. So wie in diesem Fall gab es in den letzten 50 Jahren viele große und kleine Paradigmenwechsel – von der Fresswelle über die Convenience, von Functional Food zu ersten Anfängen einer Personalisierten Ernährung.
Lange wurde behauptet, dass sich die Ernährungsgewohnheiten, wenn überhaupt, nur sehr langsam ändern. Dies mag pauschal gesehen stimmen, wenn man an das Beharren auf der sog. Westlichen Ernährungsweise denkt. Es gilt aber nicht für die Lebensmittelvielfalt. Der Bürger isst letztendlich doch, was er zunächst nicht kennt, seien es südliches Obst und Gemüse im Norden oder rote Grütze und Seefische im Süden. Auch Produkte von vorgestern werden wieder entdeckt, wie Pastinaken, Teltower Rübchen, und Lebensmittel, die durch Migranten zu uns kamen , gewinnen Anhänger. Die Gegenwart gehört dem Mediterranen, die Zukunft vielleicht dem (Fern) Östlichen.
Auch hinsichtlich der Wissenschaft sind wir im Umbruch, der sich mehr oder weniger schnell an vielen Baustellen (vgl. Editorial Heft 11/2012) vollzieht. Mein Lehrstuhl in Kiel lautete bis 2003 „Lebensmittelkunde und Spezielle Humanernährung“. Heute ist die Spezielle Ernährung in „Molekulare Prävention“ umgewandelt, und es gibt darüber hinaus noch eine Junior- Professur für „Molekulare Ernährung“.
Neue Paradigmen wie die Personalisierte Ernährung1 oder der Glykämische Index (s. S. 26 ff.) wurden etabliert und suchen erfolgversprechend ihren Platz in der grundsätzlichen und angewandten Ernährungsforschung. Die Molekularbiologie wird sicher wichtige Ernährungsfragen lösen und die Epidemiologie wird – unterstützt durch molekulare Daten – präzisere Aussagen liefern können. Die Umsetzung in die Praxis der Ernährung jedweder Richtung – von der optimierten Versorgung bis zur Prävention und Therapie der so genannten Zivilisationskrankheiten – wird zunehmend wissenschaftlich professionalisiert.
Ein „Licht am Ende des Tunnels“ zeigt sich vielleicht bereits, wenn man die positiven Anzeichen eines leichten Rückgangs der Adipositas bei Jugendlichen berücksichtigt, wie sie im neuesten Ernährungsbericht der DGE dargestellt werden.
Wir werden alle Entwicklungen wie in den vergangenen fast 60 Jahren aufmerksam begleiten und wissenschaftlich aufgearbeitet präsentieren und kommentieren.
Mit den besten Wünschen zum Neuen Jahr – bleiben Sie uns gewogen!
Ihr Helmut Erbersdobler
1HG Joost et al. (2007) Personalised nutrition: status and perspectives. Br J Nutr 98: 26–31