Alimentum ultimum 02/03 (Das letzte Gericht)

Johannes

Dienst nach Vorschrift bei Apothekern und niedergelassenen Ärzten sei Quatsch. Erwin, der meiner Berliner Cousine Elvira angetraute Kanzleramtsbeamte, sagt das gleichermaßen verdrießlich wie bestimmt. Diese seien schließlich Unternehmer und beim Barte des Hippokrates als dessen Jünger ohnehin ein Widerspruch in sich selbst. Beamte hingegen, Beamte hätten zu dienen, natürlich nicht dem kranken Menschen, wohl hingegen dem kranken Staat.

Wer wie er vom gehobenen Dienst zum Herrn avancieren wolle, der könne deshalb auch nicht einfach die Hand aufhalten, sondern müsse mit dem Pfund seiner im Amt erworbenen Kenntnisse als Selbstständiger wuchern, als Lobbyist beispielsweise oder als Berater informationsbedürftiger Vertreterorganisationen und Medien. Es sei denn, er finde auf dem langen Weg zu sich selbst Aufnahme im diplomatischen Dienst. Nein, für ihn werde dieses Land, wenn überhaupt, dann in die Irre geführt. Seine Devise geworden sei inzwischen "Suro raifu" – langsames Leben. Er fordere darum dringlichst, in das Sprachgut des deutschen Beamtenbundes "karoshi" aufzunehmen. Das sei zwar japanisch, aber nur in Japan und nirgendwo sonst auf der Welt gebe es ein Wort für "Tod durch Überarbeitung".

Na, da könne er ja gleich nach Japan auswandern, giftet Elvira und serviert ihm einen "Chai-Tee", der als Fett-Schmelze und super gesunder, selbst Milchsäuren enthaltender Wirkstoff-Mix beworben wird. Den habe Erwin von seinen Kollegen zum Geburtstag bekommen, dazu die hübsche aid-Broschüre "rundum fit". Auf der sei allerdings das fit mit fett überschrieben gewesen. Doppelt gemoppelt Scheinendes kann ein in der deutschen volksdemokratischen Republik mit Russisch als Fremdsprache Aufgewachsener wie Erwin auf den Tod nicht mehr ausstehen, so auch nicht die Bezeichnung Chai-Tee.

Indes beruhigt er sich bei Elviras Argument, als einer der in der Fernsehwerbung neuerdings angesprochenen "Besseresser" könne er sich so etwas leisten, gehöre er doch ebenso zu den Besserverdienenden und trotz seiner sächsischen Herkunft zu den Besserwessis. Das wiederum ruft mich auf den Plan. Ich ließe mir als Ernährungsfuzzi ja manches gefallen : Vielesser, Wenigesser, Gutesser, Schlechtesser, Lustesser, Frustesser, Schnellesser, Langsamesser, Richtigesser, Falschesser, Alleinesser, Gemeinschaftsesser, meinetwegen sogar Mitesser.

Sprachverschandelte Besseresser dagegen sollten mit Messer und Gabel gemeuchelt werden, ehe der Begriff zum Unwort des Jahres 2003 erhoben werde. Wenn es nach mir ginge, dürfte man nur "non multum, sed multa" , das eherne Losungswort der Ernährungswissenschaft, selbst sprachlich als deren einziges Dogma hinnehmen. Basta! EU02/03

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