Editorial 02/13: Migration verspricht Neues – man sollte das nutzen
- 11.02.2013
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Prof. Dr. Helmut Erbersdobler,
Herausgeber
Wachset und mehret euch, heißt es in der Bibel und gemeint war damit wohl auch die Verbreitung durch Migration. So sind offensichtlich frühe Siedler in Bayern durch das Donautal eingewandert und haben die Schweine als Haustiere mitgebracht. Später haben die Römer südlich der Donau nicht vom modernen Weizen gelebt, der dort nicht gedieh bzw. nicht gelagert werden konnte, sondern von Spelzweizen-Sorten. Diese mussten aber von den einheimischen Kelten zu brauchbaren Produkten verarbeitet werden.
So entwickelte sich eine gewisse Symbiose. Migration brachte Neues und war trotz Verdrängungen und Stammeskämpfen auch positiv. Auch heute noch sind neue Lebensmittel und Zubereitungsmethoden, andere Lebensgewohnheiten und Rituale bei den Migranten bemerkenswert. Sie sollten genauer untersucht werden, wie es für einen Teilaspekt in der Studie auf Seite 16–23 dargestellt wird. Dies wäre für die Integration dieser Personengruppe außerordentlich wichtig.
Bei vielen Migranten muss auch auf Besonderheiten des Stoffwechsels geachtet werden, wie z. B. auf Eisenstoffwechselstörungen (Thalassämie, die v. a. im Mittelmeerraum auftritt oder die Sichelzellenanämie bei Afrikanern) bzw. die vielfach beschriebene Laktosemalabsorption.
Das Hauptinteresse gilt heute der sozialen Integration. Wer arm ist, ernährt sich oft nicht so gesund. Wer die Sprache nicht beherrscht, kann die Ernährungsinformationen nicht lesen und dem Bildungs- und Informationsangebot nicht folgen. Religiöse Vorbehalte behindern die Angebote im Schul- oder Vereinssport.
Neben diesen Erhebungen wären auch epidemiologische Untersuchungen interessant, die Erkenntnisse über allgemeine Probleme (Adipositas, Diabetes etc.) liefern könnten. Solche Studien wurden schon in den frühen 1980er Jahren auf Hawaii durchgeführt, wo man den Einfluss des Übergangs zur Western Diet bei eingewanderten Japanern untersuchte.
Vergleichbare Studien fehlen noch in Deutschland, was schade ist, da die Chance dazu nicht ewig bestehen bleibt. Als Fazit kann man sagen, dass die Problematik der Migration und Integration offensichtlich erkannt ist und offensiv angegangen wird, zumindest im sozioökonomischen Bereich.
Man kann überall auf schöne Ergebnisse stoßen, wenn man in die Tiefe geht. Voraussetzung für brauchbare Studien wären mehr Ernährungswissenschaftler/- innen mit Migrationshintergrund, damit das Sprachproblem keine Hürde für die Untersuchungen ist. Man sollte darüber nachdenken und handeln (d. h. entsprechend fördern!)
Es grüßt Sie…
Ihr Helmut Erbersdobler