Editorial 02/15: Mehr Geld = mehr Fleisch?

Dr. Udo Maid-Kohnert

Wie man sich ernährt und welchen Einfluss die persönliche Ernährungsweise auf die eigene Gesundheit hat, ist Privatsache. Stimmt das? Nicht nur die steigenden Kosten für ernährungsmitbedingte Krankheiten stellen diese Aussage in Frage. Zunehmend geraten auch die Zusammenhänge zwischen Ernährungsweise, Art der Lebensmittelproduktion und deren Einfluss auf weltweite Ökosysteme in den Blickpunkt.

Ein aktuell in Nature erschienener Beitrag widmet sich diesem diet-environment- health-trilemma. Die Autoren bilanzieren die jeweils traditionelle Ernährungsweise, die mediterrane Diät sowie die Ernährung von Pescetariern und Vegetariern hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen und der jeweils mit dem Ernährungsstil verbundenen Umweltbelastung. Sie zeigen für einen Zeitraum von fast 50 Jahren (1962–2009) auch die Zusammenhänge zwischen wachsendem individuellem Wohlstand/ Einkommen und steigender Nachfrage nach Fleisch, Gesamtenergiezufuhr und dem Anteil „leerer“ Kalorien (1) (raffinierte Zucker und Fette sowie Alkohol).

Die Arbeit rechnet die bisherigen Trends bis ins Jahr 2050 weiter und macht deutlich: Weltweit zunehmender materieller Wohlstand weiter Bevölkerungsgruppen wird mit massiven Auswirkungen sowohl auf die Gesundheit der Menschen als auch auf die landwirtschaftliche Nutzfläche und das Klima einhergehen, wenn „mehr Einkommen“ automatisch „höherer Fleischkonsum“ bzw. „western diet“ bedeutet. In dieser Ausgabe der Ernährungs Umschau finden Sie ab Seite 22 den Beitrag Nachhaltige Ernährung im Spannungsfeld von Umwelt und Gesundheit von Toni Meier zur gleichen Thematik.

Es wird „enger“ auf dieser Welt – durch immer noch steigende Weltbevölkerung bei bestenfalls gleichbleibender landwirtschaftlicher Nutzfläche. Und damit kann der Ernährungsstil keine reine „Privatsache“ mehr sein. In den reichen Ländern liegt es bei jedem Einzelnen, ob er sich vegetarisch, omnivor oder anders ernährt. Doch „westlicher Ernährungsstil“ ist mittlerweile für viele Menschen weltweit ein lange erstrebtes Statussymbol, das mit steigendem Einkommen auch in den Schwellenländern – anders als z. B. PS-starke PKW oder das Eigenheim – nun endlich erreichbar ist. Wer wollte den Menschen da die Lust auf Pommes, Steak & Co. verdenken und auf deren Einsicht, Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein hoffen?

Ohne weltweite landwirtschafts- und gesundheitspolitische Maßnahmen wird man nicht auskommen. Und die sind (falls überhaupt) nur durchsetzbar, wenn die reichen Industrienationen hier mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn die Industrienationen nun (endlich) den „peak meat“ erreicht haben, ist es fatal und zynisch eine übersubventionierte Fleischindustrie nun für den Export weiter aufzublähen. Die Entrüstung über die Gleichung „more money = more meat“ ist scheinheilig, solange sie für Investoren immer noch bedeutet „more meat = more money“.

Ihr  Udo Maid-Kohnert

Das Editorial finden Sie auch in Ernährungs Umschau 02/15 auf Seite M65.

(1) Mit leeren Kalorien werden Lebensmittel mit geringer Nährstoffdichte bezeichnet, die also bei hohem Energiegehalt keine oder nur unwesentliche Anteile an essenziellen Nährstoffen liefern.

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