Zu guter Letzt 03/14: Schule für Alltagskompetenzen

Bei der schulischen Bildung geht es darum, junge Menschen auf ihr Erwachsenenleben in der Gesellschaft vorzubereiten. So sieht es der aktuelle Bildungsbegriff. In der Praxis ist die Schule aber sehr auf das Erwerbsleben ausgerichtet. Die Vermittlung von Kompetenzen für die vielen Aspekte privater Lebensführung wird – abgesehen vom Lesen und Schreiben Lernen – vernachlässigt. Schule bleibt damit oft Lern- statt (vorbildlicher) Lebensraum.

Schon lange wird gefordert, a) neue Fächer zur Vermittlung von Alltagskompetenzen in die Lehrpläne aufzunehmen, sei es Ernährungs-, Gesundheits- oder Verbraucherlehre, und b) Schule zum gesundheitsförderlichen und für Kinder und Jugendliche anregenden Lebensraum weiterzuentwickeln. Ansätze gibt es hierzu viele. Zu oft sind sie jedoch an einzelne engagierte Personen gebunden, zu wenige sind institutionalisiert.

Ein Beispiel zu a): An Gymnasien gibt es immer noch weniger Bildungsangebote im Hinblick auf Alltagskompetenzen als an Gesamt-, Haupt- und Realschulen, wo z. B. das Themenfeld Ernährung/ Gesundheit/Umwelt häufiger in eigenen, alltagsbezogenen Fächern auftaucht. Es stellt sich die Frage: Brauchen Gymnasialschüler/-innen keine Kompetenzen für die private Lebensplanung? Wollen sie sich nicht gesund erhalten, eine Familie planen, finanzielle Vorsorge treffen? Nein.

Den Grund für die fehlende Vermittlung von Alltagskompetenzen sehe ich in Bildungstraditionen aus dem (vor-)vergangenen Jahrhundert: Höhere soziale Klassen, die sich vornehmlich an Gymnasien fanden, ließen sich zu Hause von Bediensteten versorgen, eine alltagsorientierte haushälterische Bildung richtete sich allenfalls an Mädchen.

Ein Beispiel zu b): An vielen Grundschulen gibt es inzwischen eigene Frühstückspausen, in denen Kinder in Ruhe und zusammen mit ihren Klassenkameraden „Energie nachfüllen“ können, was die Aufmerksamkeit und den Klassenzusammenhalt fördert. Warum gibt es diese Einrichtung kaum noch an weiterführenden Schulen? Wäre es nicht nützlich, wenn ältere Schülerinnen und Schüler ihr Frühstück in der Klassengemeinschaft als Mahlzeit einnehmen könnten, mit all ihren Vorteilen für die Gemeinschaft? Hier ist es vermeintlich wichtiger, Schulfächer und Lernen möglichst dicht zu packen, keine „Zeit zu verlieren“, denn es gibt viel zu lernen. Eben.

Es gibt viel Verschiedenes zu lernen. Nimmt man Chancengleichheit z. B. ernst, nützt es Kindern aus Familien mit einer vernachlässigten Esskultur schon etwas, mit anderen gemeinsam zu essen. Hierfür ist es auch ein Erfolg, dass immer mehr Schüler/-innen in der Schule zu Mittag essen können, auch wenn die Qualität oft noch verbesserungswürdig ist. Die Beispiele zeigen: Wir müssen unseren eigenen Bildungsbegriff noch ernster nehmen und die Entwicklung von Schule zum Lebens- und Lernraum auch für Alltagskompetenzen – zu denen auch ein gesundheitsförderndes Essverhalten gehört – vorantreiben.

Sabine Schmidt

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 03/14 auf Seite M176.

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