Editorial 07/06: Leitlinie Fett

Prof.Dr.Helmut Erbersdobler

Seit einiger Zeit steht der Entwurf der evidenzbasierten DGE-Leitlinie „Fettkonsum und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten“ im Internet zur Diskussion .

Dies ist die erste ernährungsbezogene Leitlinie für Deutschland. Auf insgesamt 317 Seiten wurden vorrangig epidemiologische Daten zum Thema Fett in der Ernährung von den 14 Mitgliedern des Arbeitskreises „Leitlinien der DGE“ zusammengetragen und bewertet. Die über 3-jährige äußerst mühevolle Arbeit zahlte sich aus, das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Die Evidenzkriterien (Härtegrade) wurden entsprechend dem Evaluierungsschema der WHO gewählt mit „überzeugend“ (erhebliche Anzahl geeigneter Studien mit konsistenten Ergebnissen), „wahrscheinlich“ (einigermaßen konsistente Beziehungen, aber erkennbare Schwächen), „möglich“ (nur ungenügend gut durchgeführte Studien oder Studien mit niedrigerer Evidenzklasse) und „unzureichend“ (wenige oder unzureichende Studien).

Im Hinblick auf die „primäre“ Prävention, also den Einfluss des Konsums an Fett bzw. Fettsäuren auf das Erkrankungsrisiko, stellten sich als überzeugend folgende positive Zusammenhänge heraus: Fettzufuhr und Adipositas sowie Dyslipoproteinämie, Zufuhr gesättigter Fettsäuren und Dyslipoproteinämie, trans-Fettsäuren und Risiko für koronare Herzkrankheit. Überzeugende Zusammenhänge ergaben sich für n-6-PUFA und Dyslipoproteinämie, langkettige n-3-PUFA und Hypertriglyceridämie sowie koronare Herzkrankheit.

Nahrungscholesterol hat nur bei etwa der Hälfte der Menschen einen deutlichen Einfluss auf das LDL-Cholesterol im Plasma. Diese Wirkung ist bei den sog. Respondern überzeugend. Für die einfach ungesättigten Fettsäuren ergab sich kein direkter Zusammenhang bzw. eine unzureichende Evidenz mit allen Erkrankungen. Im Austausch gegen gesättigte Fettsäuren senken sie jedoch mit überzeugender Evidenz das LDL-Cholesterol und verhindern, verglichen mit der Aufnahme von Stärke, den Abfall des HDL-Cholesterols.

Die Beispiele zeigen, wie vernetzt und komplex die Beziehungen sind. Die meisten Einflüsse waren bei den Dyslipoproteinämien (4 Mal überzeugend) vorhanden, die wenigsten bei der Hypertonie sowie bei Diabetes mellitus (1 Mal möglich) und Krebserkrankungen (2 Mal möglich). Wie schon in den Editorials im April und Mai betont, sollte die Bedeutung von „wahrscheinlichen“ und unter Umständen nur „möglichen“ Beziehungen nicht unterschätzt werden, selbst wenn sie hier aus Platzgründen nicht aufgeführt sind.

Interventionsstudien, die ja mit der Evidenzklasse I das Prädikat überzeugend sichern, sind nicht so einfach durchzuführen und für manche Fragestellungen auch nicht möglich, so dass man sich mit einer schwächeren Datenlage zufrieden geben muss. Dies gilt besonders für die „primäre“ Prävention, also die Vermeidung von Erkrankungen, wie sie in den Beispielen angesprochen werden.

Bei der „sekundären“ Prävention lassen sich Interventionsstudien leichter generieren, invasive Untersuchungen rechtfertigen und Endpunkte (Zweiterkrankung oder Tod) eher abwarten. Wegen verschiedener physiologischer und medizinischer Unterschiede zwischen den (noch) Gesunden und (schon) Erkrankten ist die Übertragbarkeit solcher Studienergebnisse auf die Verhältnisse bei der primären Prävention jedoch nur eingeschränkt möglich.

Basierend auf der Bewertung der vorliegenden Evidenz werden abschließend Empfehlungen formuliert und es wird Forschungsbedarf festgestellt. Dabei werden allerdings auch sachfremde Begleitumstände einbezogen, wie z. B. der Proteinstoffwechsel, die Vitaminversorgung, der Verzehr von Obst und Gemüse sowie ballaststoffreicher Lebensmittel, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten etc. Dies kann man in Kauf nehmen, wenn man berücksichtigt, dass damit die evidenzbasierten Befunde in reelle Empfehlungen für die Bevölkerung umgesetzt werden können.

Machen Sie sich selbst ein Bild von dem Werk, Stellungnahmen sind noch bis Ende des Monats möglich.

Eine schöne Ferienzeit wünscht Ihnen

Ihr

Helmut Erbersdobler

 



 

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