Editorial 08/06: Hundstage
- 11.08.2006
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Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerSeit einigen Jahren läuft das Volk mit Wasserflaschen durch die Gegend. Ob auf der Straße, im Bus, der Bahn oder im Hörsaal, immer ist eine große Plastikflasche mit dabei. Die Wasserlobby und alles, was sich darum rankt, empfehlen uns teilweise, täglich mindestens 3 L zu trinken (zur Erinnerung: Die D-A-CH-Referenzwerte empfehlen im „Normalfall“ für einen Erwachsenen 1,5 L pro Tag).
In den letzten Wochen war jedoch die Gewöhnung an die Flasche und die großen Mengen von Vorteil. Geübt im Wassertrinken, kamen Viele besser durch die Hitze als beim letzten „Jahrhundert-Sommer“ 2003 – nur nicht die Älteren, Alten und Hochbetagten. Sie besitzen häufig kein Durstgefühl mehr, und Durst ist ja eigentlich bereits ein Zeichen für ein schon existierendes Flüssigkeitsdefizit. Liegt dieses bei 2 bis 3 Prozent des Körpergewichts (ca. 1,4 L), kann die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bereits beeinträchtigt sein. Verwirrtheit ist gerade bei alten Menschen ein häufiges Symptom für ein Flüssigkeitsdefizit.
Weitere ernste Anzeichen für einen drohenden Kreislaufkollaps sind Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindelgefühl und Kopfschmerzen. In einer Münchner Notfallpraxis gingen so während des heißen Julis im Schnitt 500 Hilferufe pro Tag ein (AZ vom 29./30. Juli 2006). Oft denkt man bei entsprechenden Notfällen eher an einen Schlaganfall und diese Differentialdiagnose muss der Arzt auch immer in Betracht ziehen.
Aber auch bei jungen Menschen kommen diese Anzeichen vor, wenn auch bedeutend seltener. Was kann man tun, damit es gar nicht erst zu einem Defizit an Flüssigkeit kommt? Vor allem ist es wichtig, das Trinken zu trainieren (s. o.) und die ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu kontrollieren (ggf. zu protokollieren). Man muss die Wasserzufuhr schmackhaft machen, beispielsweise durch Fruchtsaft-Schorlen und gut schmeckende, aber kalorienarme Getränke. Auch wenn die koffeinhaltigen Getränke bezüglich ihrer Tauglichkeit zur Flüssigkeitszufuhr in letzter Zeit günstiger beurteilt werden, eignet sich beispielsweise kalter schwarzer Tee nur bedingt als nachhaltiger Durstlöscher. Das zeigt zumindest meine Erfahrung.
Und was sollte man bezüglich der übrigen Nährstoffe beachten? Ein reichlicher Verzehr von wasserreichem Obst und Gemüse wie Melonen, Gurken, Tomaten etc. ist auf jeden Fall empfehlenswert. Bei üblichem, durchaus nicht übertriebenem Salzen dürfte dies bereits für eine ausreichende Zufuhr an Natrium, Kalium und Magnesium sorgen. Speisen (z.B. Kaltschalen) auf der Basis fettarmer Milchprodukte (Buttermilch, fettarmer Joghurt etc.) sorgen dann für eine ausreichende Calciumzufuhr.
Hinsichtlich der Lebensmittelauswahl gibt es in der traditionellen ostasiatischen Ernährungslehre Empfehlungen für „kühlende“ Lebensmittel, die man im Sommer bevorzugt verzehren soll. Ohne tiefer in fernöstliche Philosophien einzusteigen, kann man diese Empfehlungen teilweise wissenschaftlich bestätigen. So ist die „kalorigene“ Wirkung proteinreicher Lebensmittel bekannt, die im Sinne der „postprandialen Thermogenese“ (früher als spezifisch-dynamische Wirkung der Proteine bezeichnet) für einen Schweißausbruch nach dem Essen sorgt.
Man sollte dies beim beliebten Grillen bedenken und außerdem berücksichtigen, dass Alkohol, wegen des hohen Energiegehalts und der bekannten übrigen Wirkungen, nur in Maßen konsumiert werden sollte. Also grillen Sie nicht nur Fleisch, sondern auch diverse Gemüse wie Auberginen, Zucchini oder Tomaten. Und trinken Sie auch einmal ein gut gekühltes alkoholfreies Bier. Kommen Sie gut in den Herbst! Dank der Hundstage werden die Kartoffeln möglicherweise kleiner, das Brot teurer! Vielleicht gibt es aber guten Wein.
Ihr
Helmut Erbersdobler