Entwicklung eines standardisierten diätologischen Assessments für die Ernährungstherapie bei neurologischen Erkrankungen unter Verwendung der ICF-Diätetik
- 11.08.2021
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- Irina Bohm
- Isabella Kriegl
- Magdalena Prasser
- Christina Rabl
- Sonja Visontai
- Gabriele Gäbler
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Peer-Review-Verfahren / Manuskript (Original) eingereicht: 10. September 2020 / Überarbeitung angenommen: 30. Dezember 2020
Systematische Literatursuche und Delphi-Befragung
Einleitung
Neurologische Erkrankungen sind der Hauptgrund für körperliche Funktionseinschränkungen und Behinderungen und haben einen erheblichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf sowie die Lebensqualität der PatientInnen [1, 2]. Aufgrund unterschiedlicher ernährungsrelevanter Problematiken wie Dysphagie, Aspiration, Mangelernährung und gastrointestinale Motilitätsstörungen spielt die Ernährungstherapie bei neurologischen Erkrankungen eine wesentliche Rolle [3, 4].
Eine standardisierte Vorgehensweise in der klinischen Praxis wird im Sinne der Transparenz, Qualitätssicherung und Evaluation der Outcomes immer mehr gefordert. Aus diesem Grund wird neben einem standardisierten Prozess [5], z. B. Diätologischer Prozess [6] und German-Nutrition Care Process [7], einer standardisierten Sprache eine größere Bedeutung beigemessen [8]. Momentan finden in Europa zwei standardisierte Sprachen (auch als Terminologie oder Klassifikation bezeichnet) für die Dokumentation in der Ernährungstherapie Anwendung. Einerseits die in den USA durch die Academy of Nutrition and Dietetics entwickelte Nutrition Care Process Terminology (NCPT), andererseits die in den Niederlanden entwickelte Classifications and Coding lists for Dietetics (CCD) [8]. Die ICF1-Diätetik ist die bedeutendste Klassifikation der CCD. Sie basiert auf der multiprofessionell anwendbaren ICF und dem bio-psychosozialen Gesundheitsmodell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [9] und liegt seit 2018 in einer Österreich-Deutschen Übersetzung der englischen ICF-Dietetics 2017 vor2, welche im Rahmen einer Dissertation entwickelt und publiziert wurde [10]. Eine in Österreich durchgeführte multizentrische Studie [11] und eine kürzlich veröffentlichte Fokusgruppenstudie [12] zeigen, dass die Integration der ICF-Diätetik in den diätologischen Prozess möglich ist und eine Implementierung positiv gesehen wird. Es benötigt jedoch eine vielschichtige Implementierungsstrategie, wobei u. a. die Notwendigkeit von ICF-Core-Sets für ein standardisiertes diätologisches Assessment3 genannt wird [12].
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1 International Classification of Functioning, Disability and Health = Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit
2 In Deutschland liegt eine deutsche Übersetzung der originalen niederländischen „ICF-Diëtetiek“ vor. Es wird angestrebt, die zwei deutschen Übersetzungen zu harmonisieren und zukünftig in den deutschsprachigen Ländern eine einheitliche ICF-Diätetik-Version zu verwenden.
3 Das Diätologische Assessment ist in Österreich der erste Schritt im Diätologischen Prozess und umfasst das Erheben, Strukturieren und Beurteilen relevanter Informationen. Es entspricht dem Ernährungsassessment im German-Nutrition Care Process und ist mit dem Assessment anderer Prozessmodelle in der Ernährungstherapie vergleichbar.
Abstract
Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine erste Grundlage für ein standardisiertes diätologisches Assessment für PatientInnen mit neurologischen Erkrankungen unter Verwendung der ICF-Diätetik zu schaffen.
Dazu wurden eine Delphi-Befragung und eine systematische Literatursuche durchgeführt. Die Qualität der eingeschlossenen Assessment- und Outcome- Instrumente wurde mittels COSMIN bewertet und die ernährungsrelevanten Fragen unter Anwendung etablierter ICF-Linking-Regeln mit ICF-Diätetik Kategorien verknüpft und damit verglichen.
Insgesamt wurden 116 ernährungsrelevante Fragen aus 15 Messinstrumenten extrahiert, dazu 121 Haupt- und 35 Nebenbegriffe definiert und zu 65 präzisen ICF-Diätetik Kategorien gelinkt. Diese ernährungsrelevanten Aspekte wurden mit jenen aus der Delphi-Befragung ergänzend dargestellt.
Diese Grundlage für das erste diätologische Assessment unter Verwendung der ICF-Diätetik leistet einen Beitrag zur Qualitätssicherung und Outcome-Forschung in der Diätologie.
Schlüsselwörter: Ernährungsassessment, diätologisches Assessment, Diätetik, neurologische Erkrankungen, International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), ICF-Diätetik
Peer reviewed / Manuscript (original) received: 10 September 2020 / Revision accepted: 30 December 2020
A systematic literature search and Delphi survey
Abstract
The aim of this study is to lay the foundation for a standardized dietetic assessment for patients with neurological disorders using the ICF-Dietetics. A Delphi survey and a systematic literature search were conducted for this purpose. The quality of the assessment and outcome instruments that were included was assessed using COSMIN, and the nutrition-related questions were linked to and compared with the ICF-Dietetics categories using established ICF linking rules. From the 15 assessment and outcome instruments, a total of 116 nutrition- related questions were identified and these were used to define 121 key terms and 35 secondary terms. These terms were then linked to 65 precise ICF-Dietetics categories. These nutrition-related aspects were supplemented with those from the Delphi survey. This lays the foundation for the first dietetic assessment using the ICF-Dietetics and will contribute to quality assurance and outcome research in dietetics.
Keywords: Nutrition assessment, dietetic assessment, dietetics, neurological disorders, International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF), ICF-Dietetics
Den vollständigen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2021 von Seite M452 bis M461.
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