Editorial 09:12: Zurück in der Region
- 11.09.2012
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- Redaktion
Die Zeit des Sommerurlaubs ist nun endgültig vorbei und der heimische Kühlschrank muss wieder gefüllt werden. Und während es bei der Urlaubsplanung für einige durchaus um das entfernteste Fernreiseziel ging (wenn möglich zum Schnäppchenpreis), greifen viele deutsche Verbraucher bei Lebensmitteln gerne zu Produkten „aus der Region“.
Aus ganz unterschiedlichen Motiven: Stehen für die einen bodenständige regionale Rezepturen bei der Kaufentscheidung im Vordergrund (mir fällt z. B. der „Roggenbrotentzug“ im Ausland schwer), sind es für andere ökologische Überlegungen, z. B. die kürzeren Transportwege von Produkten aus der Region. Auch das Gefühl, mit dem Einkauf lokaler Erzeugnisse heimische Arbeitsplätze und Sozialstandards zu sichern, und evtl. Misstrauen gegenüber erstaunlich preiswerten „Bio“produkten aus Übersee mögen eine Rolle spielen.
Oft schwingt auch ein Hauch Sozialromantik mit, wenn auf dem Wochenmarkt oder im Direktvermarkter-Hofladen oder auch auf der Sonderverkaufsfläche für „heimische“ Erzeugnisse im Supermarkt nach nicht genormten Gurken, handausgehobenem Brot und Würsten nach „Bauernart“ gegriffen wird. Dass wir uns von weltweiten Zusammenhängen nicht abkoppeln können*, ist trotz aller Renaissance der Regionalität eine Realität, die wir nicht verdrängen sollten, und wurde bereits im August-Special der Ernährungs Umschau (Welternährung) deutlich.
Unser Schwerpunkt in diesem Heft knüpft unmittelbar an diese Thematik an: Welche ökologischen Auswirkungen hat zum Beispiel die „letzte Strecke“ unserer Lebensmittel, der Weg vom Händler bis zur heimischen Haustür? Der Beitrag zum „Consumer Carbon Footprint“ (S. 524 ff.) macht nachdenklich, wenn z. B. für den Einkauf beim Hofladen oder für das Lockangebot eines anderen Supermarktes mal eben ein Umweg von 20 km mit dem PKW zurückgelegt wird. Davon abgesehen – wenn die Kaufentscheidung für Produkte aus bestimmten Regionen auf einer soliden Grundlage erfolgen soll, ist es wichtig, dass die Auslobung einer regionalen Herkunft auch im Sinne des Verbrauchers erfolgt. Der Beitrag von Frank WASKOW und Sonja PANNENBECKER ab S. 510 zeigt Handlungsbedarf auf diesem Gebiet.
Die obigen Aspekte erscheinen als Luxusdiskussion, wenn wir den Blick auf die leider wieder zunehmenden Hungerregionen der Welt lenken. Hier hat „Regionalität“ eine ganz andere Bedeutung. Vor dem Hintergrund schlechter bis fehlender staatlicher Infrastruktur schaffen kleinteilige – regionale – Projekte von Hilfsorganisationen Grundlagen zur Überlebenssicherung. Dass auch diese Perspektive des Themas Regionalität vorgestellt wird (Beitrag HEIDENHOF, S. 518 ff.), ist uns als Redaktion der Ernährungs Umschau wichtig.
Ich wünsche Ihnen informative Einblicke in ein überregionales Thema
Ihr Udo Maid-Kohnert
*Deutschland importierte 2011 Agrarprodukte (ohne Forstwirtschaft) im Wert von rund 65 Mrd. Q (2010: 63 Mrd. Q). Der Wert der Agrarexporte lag bei 56 Mrd. Q (2010: 53 Mrd. Q). Quelle: berichte.bmelv-statistik.de/AHT-0031015-2010.pdf Zugriff 13.08.12