Nachschlag 9/2024: Ich weiß, dass ich nichts weiß: Umfrage-Hochs und -Tiefs

Umfragen stoßen immer auf Interesse – und bringen Klicks für Websites und Social Media.

Mitte Juni hat nun eine Krankenkasse bevölkerungsweit und repräsentativ 1011 Bürger*innen zu Ihrem und unserem Herzensthema gesunde Ernährung befragt [1]. Von den Ergebnissen gebe ich hier nur eine Auswahl für die Altergruppen 18–29 Jahre und 60–69 Jahre wieder. Also Menschen am Beginn ihres „Erwerbslebens“ und solche mit 4 Jahrzehnten Lebenserfahrung mehr.Immerhin 87 % bzw. 67 % stimmen der Aussage zu „Ich würde mich gern gesünder ernähren“. Na, darauf lässt sich für Beratungskräfte doch aufbauen. Unter den jungen Menschen sind also immerhin fast 90 % Motivierte. Beim Lesen der weiteren Antworten wurde ich dann nachdenklich: „Ich bin grundsätzlich gegen Verbote bei Lebensmitteln. Ich weiß selbst am besten, wie ich mich gesund ernähren kann“ (72 %/79 %). Aha, also mündige, gut informierte Bürger*innen, die ganz klar den „paternalistischen Staat“ ablehnen. Aber wie passt das zu den folgenden Antworten: „Ich wünsche mir mehr Informationen zu einer gesunden Ernährung“ (79 %/55 %), und „Es ist oft schwer zu entscheiden, welche Lebensmittel gesund und welche ungesund sind“ (62 %/65 %)? Als Fachkräfte wissen Sie um die Problematik von Befragungen und kennen die Phänomene soziale Erwünschtheit und Intentions-Verhaltenslücke (umgangssprachlich: innerer Schweinehund), erst recht die Debatten um zielführende Ernährungsbildung, Verhaltens- und Verhältnisprävention. Mir fehlten in der Befragung daher ganz klar die Optionen: „Ich mache oft widersprüchliche Angaben, besonders in Befragungen zu Ernährung!“ oder sogar: „Ich bin oft zu bequem, mich aktiv über Themen zu gesunder und nachhaltigerer Lebensweise zu informieren und verdränge sogar mir bereits bekannte Informationen.“

Solange da die Bequemlichkeit im Wege steht, können Ernährungsfachkräfte ja das Erfolgsrezept einer weiteren Umfrage [2] aus einer ganz anderen Branche nutzen: „Repetitiv, einfach und dicht muss ein Ohrwurm sein.“ Ein Plädoyer für einfache Sprache in der Ernährungs- und Verbraucherbildung?

Ihr Udo Maid-Kohnert

Literatur
1. www.mhplus-krankenkasse.de/fileadmin/user_upload/Dokument/Unternehmen/Presse/Umfrage-mhplus-Gesunde-Ernaehrung.pdf (last accessed on 8 July 2024)
2. Parada-Cabaleir E, et al.: Song lyrics have become simpler and more repetitive over the last five decades. Sci Rep 2014; 14: 5531.



Den Nachschlag finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2024 auf Seite M552.

PDF Artikel Download für Abonnenten:

Das könnte Sie interessieren
Ernährungstherapie bei pädiatrischem Morbus Crohn weiter
German-Nutrition Care Process (G-NCP) – Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung weiter
Mangelernährung – ein diätetisches Problem in verschiedenen Settings weiter
Herzlichen Glückwunsch Sektion Hessen – DGE e. V. weiter
Pflanzliche Speisefette und -öle weiter
Der Innovationsraum NewFoodSystems und die Transformation unserer Ernährungs- und... weiter