Alte Bekannte

Über Wermut, Estragon oder den mehrjährigen Beifuß kann man durchaus einmal in einer Fachzeitschrift für Ernährung berichten. Aber wissen Sie, was diese Würzkräuter mit Malaria oder gar dem Nobelpreis zu tun haben?

Wermut (Artemisia absinthium), Estragon (A. dracunculus) und Beifuß (A. vulgaris), das klassische Gewürz für Gänsebraten, gehören botanisch zur Gattung Artemisia. Zu dieser Gattung gehört auch der Einjährige Beifuß (Artemisia annua), aus dem der Wirkstoff Artemisinin, ein wirksames Malaria-Medikament, gewonnen wird.

Im Oktober erhielt die chinesische Forscherin Youyou Tu für die Entdeckung und Charakterisierung von Artemisinin den Medizin-Nobelpreis1. In Vietnam, China und Afrika wird Artemisinin zur Behandlung von Infektionen mit multiresistenten Stämmen von Plasmodium falciparum, dem Erreger der Malaria tropica, eingesetzt. An der Entwicklung einfacher und kostengünstiger Produktionsmethoden direkt in den betroffenen Ländern sind auch Forscher des Potsdamer Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung beteiligt.2 Auf die Spur des sekundären Pflanzenstoffs Artemisinin brachte Youyou Tu das Studium mehr als 1 000 Jahre alter Schriften der traditionellen chinesischen Medizin, die eine Vielzahl von Gewürzen und Lebensmitteln gezielt zu Heilzwecken einsetzt.

Sekundäre Pflanzenstoffe sind auch in der europäischen Volksmedizin und v. a. in der Kochkunst alte Bekannte. Überwiegend aus sensorischen Gründen – als charakteristische Komponente von Gewürzen – eingesetzt, zeigen neue Studien, dass sie noch viele interessante Wirkungen „in sich“ haben.
Dies gilt auch für Curcumin, den orangegelben Farbstoff aus dem Rhizom der Gelbwurz (auch Kurkuma genannt); zwei Beiträge zu dem Farbstoff finden Sie in diesem Heft ab S. M636. In Europa kennen wir es v. a. als Komponente von Gewürzmischungen wie z. B. Currypulver. Als Lebensmittelzusatzstoff E 100 bringt Curcumin den gewünschten gelben Farbton in viele (Convenience-)Lebensmittel, die sonst langweilig blass daher kämen, z. B. Käse oder Kartoffelpüree.
Ebenfalls gelb-orange oder gar rot zeigen sich die Carotinoide; ihr physiologisches Wirkspektrum ist ebenfalls beachtlich. Auch die gelben und roten Farben des Herbstlaubes, die uns in den vergangenen Wochen erfreut haben, sind überwiegend Carotinoide. Neben den namensgebenden Karotten färben sie auch die prächtigen Kürbisse auf dem Titelbild dieser Ausgabe. Den Carotinoiden ist ein weiterer Beitrag unseres Specials gewidmet (ab Seite M652). Damit knüpft dieses „gelbe“ Heft an den ersten Teil unseres Farben-Specials in Heft 3/2015 der Ernährungs Umschau an. Und vielleicht lernen Sie neue Facetten an den alten Bekannten kennen!

Ihr Udo Maid-Kohnert

1 Sie teilt sich den Preis mit William C. Campbell, Irland, und Satoshi Omura, Japan.
2 www.mpg.de/4684372/Effiziente_Synthese_eines_Malariawirkstoffs 

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