Editorial 12/06: Schluss mit lustig?

Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerZum Schulbeginn im Herbst erschienen in unserer Tageszeitung viele Kleinanzeigen mit dem Wunsch „Viel Spaß in der Schule“. Das hat mich nachdenklich gestimmt, da ich mir nicht sicher bin, ob die Kleinen wirklich so viel Spaß haben werden. Denn eines ist klar: In der Schule werden die Anforderungen in Zukunft wieder größer.

Das gilt auch für Ernährungsfragen und den Spaß am Essen. In der Ernährungswissenschaft weht wieder ein rauerer Wind. Wir müssen zunehmend erkennen, dass es auf viele Fragen nicht die eine Antwort gibt. Manches, was früher gesichert schien, ist heute doch differenzierter zu betrachten (um einen Begriff der 68er zu bemühen). Heute können wir dank moderner epidemiologischer Forschung leicht feststellen, ob in einer Population ein Zusammenhang zwischen Ernährung und Krankheit besteht oder nicht. Wir können aber nicht erklären, warum dies trotz offensichtlicher biologischer Plausibilität häufig nicht der Fall ist.

Möglicherweise lässt die Vielfalt des menschlichen Genoms eine einheitliche Antwort nicht zu oder wir verstehen die Prinzipien der Regulation und Gegenregulation noch zu wenig. Ich habe darüber bereits an dieser Stelle mehrfach resümiert. Wichtig erscheint mir, dass man sich noch frei und flexibel genug fühlt, um seine Meinung zu ändern, wenn die wissenschaftliche Evidenz dies gebietet. Davon lebt eigentlich die Wissenschaft, das bringt sie voran. Und man sollte nie jemanden schmähen, der dies tut.

Wenn es zutrifft, dass es in Europa etwa 50 000 Food- und Nutrition-Lobbyisten mit ihren (oder einschließlich ihrer) Gefolgschaften gibt, dann ist diese neu entstandene Grauzone ein ideales Revier und es verwundert nicht, dass inzwischen die Meinungen und Aussagen zur richtigen Ernährung so durcheinander purzeln.

Das zeigt sich zurzeit besonders drastisch in Großbritannien. Dort laufen viele Eltern gerade Sturm gegen die Einführung einer gesunden Ernährung in den Schulen. Dies vielfach gemeinsam mit einschlägigen Unternehmen, die die Neuerungen außerdem durch geeignete Angebote im Umfeld der Schulen unterlaufen. Vermutlich hat man die Veränderungen aber auch zu rasch vorgenommen und die Schüler und Eltern damit überfordert.

Damit wären wir wieder bei den Kindern. Nicht nur an Weihnachten sollen sie ihre Freude und meinetwegen auch ihren Spaß haben. Ich wünsche Ihnen und allen Kindern eine gute Adventszeit und schöne Festtage. Genießen Sie das gute Essen. Achten Sie aber mehr auf Qualität als auf Quantität und bewegen Sie sich zwischendurch viel und intensiv, möglichst an der frischen Luft (das zumindest darf man laut eines kürzlich in der ZEIT erschienenen kritischen Artikels noch empfehlen).

Der Jahreswechsel 2006/2007 wird für die Ernährungs-Umschau Neuerungen mit sich bringen. Mit der Dezemberausgabe verabschieden sich zu meinem Bedauern die langjährige Chefredakteurin Sabine FANKHÄNEL und ihre Kollegin Kirsten GRASHOFF, um sich neuen Aufgaben zu widmen. Ich bedanke mich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit und wünsche ihnen für die Zukunft alles Gute.

Im Januar begrüßt Sie an dieser Stelle das neue Redaktionsteam: Dr. Udo MAID-KOHNERT, Dr. Patricia FALKENBURG, Frau Christine MOJE und Dr. Sabine SCHMIDT. Zusammen mit Frau Dipl. oec. troph. Heike RECKTENWALD, ab Februar 2007 neue Chefredakteurin der Ernährungs-Umschau, wird Ihre Fachzeitschrift in gewohnter Qualität weitergeführt. In der Januar- und Februarausgabe 2007 stellt sich Ihnen das neue Redaktionsteam ausführlich vor.

Ich begrüße an dieser Stelle die neuen Kolleginnen und Kollegen und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.

Ihr

Helmut Erbersdobler
 

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