Editorial 12/2019: Weitersagen: Ernährungstherapie rettet Leben

Vor einem Jahr machte ich mir an dieser Stelle Gedanken darüber, warum einem guten Ernährungsstatus bei an Krebs Erkrankten in ambulanter und klinischer Behandlung so wenig Bedeutung beigemessen wird. Natürlich war nicht zu erwarten, dass sich in einem Jahr alles ändert.

Aufgeben kommt allerdings nicht in Frage, und 2019 hat die Bekämpfung von Mangelernährung in Krankenhäusern wenigstens Rückenwind bekommen: Die in der Schweiz durchgeführte randomisierte kontrollierte EFFORT-Studie1 hat die Effektivität von Ernährungstherapie bei mangelernährten PatientInnen im Krankenhaus nachgewiesen. Die number needed to treat-Analyse ergab, dass nur 37 mangelernährte KlinikpatientInnen ernährungstherapeutisch individuell betreut werden mussten, um einen Todesfall innerhalb der ersten 30 Tage zu verhindern. Ein Mensch kann also gerettet werden, ein Leben weitergehen, wenn weniger als 40 Personen entsprechend behandelt werden. Das ist die eigentlich gute Nachricht der EFFORT-Studie. Gesundheitspolitisch relevant ist ebenfalls, dass die Behandlung kostendeckend ist: Die Ausgaben für das Ernährungsteam und deren Arbeit wurden durch einen besseren Gesundheitszustand der PatientInnen wieder hereingeholt.

Bleiben wir vorsichtig optimistisch: Diese und weitere „harte“ Daten werden vielleicht nach und nach erreichen, dass die Spitzenverbände der Medizin und die Institutionen des Gesundheitssystems die Ernährungstherapie ernster nehmen. Zumindest hat mit der wachsenden Zahl von ErnährungsmedizinerInnen eine Fraktion der Ärzteschaft die Bedeutung der Ernährung erkannt und Verbesserungen angemahnt. Solange aber Grundlagen der Ernährungsmedizin nicht verpflichtend im Curriculum des Medizinstudiums verankert sind und die Effektivität der Ernährungstherapie von politischer Seite als nicht nachgewiesen beurteilt wird, ist es nicht verwunderlich, dass Hausärzte und -ärztinnen Ernährung nicht thematisieren oder die Beratung selbst übernehmen – ohne die entsprechende fachliche Qualifikation. Bringt man hingegen interessierte Ärzte und Ärztinnen mit Ernährungsfachkräften zusammen, entsteht ein fruchtbarer Austausch und gegenseitiges Lernen – so zu sehen beim jährlichen Update Ernährungsmedizin (Bericht S. M694); die Teilnahme daran regte mich zu diesem Editorial an.

Was können wir machen? Die Wirksamkeit von Ernährungstherapie durch gute Studien belegen und diese öffentlich machen. Die Glaubwürdigkeit der Ernährungsforschung verbessern und weniger Raum für ein „mal hü mal hott“ zulassen. Und zusammenarbeiten mit anderen Professionen des Gesundheitssystems. Dazu müssen Barrieren überwunden und gegenseitiges Verständnis entwickelt werden. Die ERNÄHRUNGS UMSCHAU wird Ihnen auch 2020 dabei helfen.

Ein frohes und stimmungsvolles Weihnachtsfest sowie ein optimistisches neues Jahr wünscht Ihnen

Sabine Schmidt

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1 Schütz P, Fehr R, Baechli V (2019) Individualised nutritional support in medical inpatients at nutritional risk: a randomised clinical trial. Lancet 393(10188): 2312–2321



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2019 auf Seite M689.

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