Ernährungsarmut – ein Armutszeugnis für reiche Staaten

Unser Themenspecial ab Seite M102 beleuchtet die Herausforderung Ernährungsarmut in Deutschland. Die im Umfeld der Bundestagswahl populistisch ausufernde Debatte um die Finanzierbarkeit von Sozialleistungen negiert u. a., dass die Tafeln [1] mit ihren über 2 Mio. Kund*innen in Deutschland von der Politik bereits seit langem „fest eingeplant“ sind. Wie sieht es in anderen EU-Ländern aus? Die nachfolgende Zusammenstellung basiert auf Daten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages [2] und weiteren Quellen.

(umk) 1993 wurde in Deutschland die erste Tafel in Berlin gegründet, um die Situation der Obdachlosen der Stadt zu verbessern. Vorbild war das amerikanische Konzept der Lebensmittelbanken, konkret der New Yorker City Harvest. Mittelweile verteilen mehr als 970 Tafeln in Deutschland einwandfreie überschüssige Lebensmittel von Händlern und Herstellern an mehr als 2 Mio. armutsbetroffene Menschen. Dies gelingt mithilfe der rund 60000 Helfer*innen. Damit sind die Tafeln eine der größten sozial-ökologischen Bewegungen in Deutschland [1]. Die Finanzierung erfolgt überwiegend über Spenden. Bundes- und Landesmittel erhalten die Tafeln nur in geringem Ausmaß und projektbezogen, also nicht als institutionelle Förderung.
Ein ähnliches Modell existiert derzeit in Österreich, während in Frankreich (Gesetz über die Bekämpfung von Lebensmittelabfällen vom 11. Februar 2016) und Italien (Gesetz zur Vermeidung von Lebensmittel- und Pharmaabfällen, September 2016) der Handel verpflichtet ist, nicht mehr verkäufliche, aber qualitativ einwandfreie Ware zur Verteilung an Bedürftige zur Verfügung zu stellen.
In Spanien gibt es 56 Lebensmittelbanken, die auch staatliche Unterstützung erhalten. Sie sammeln Lebensmittel zur Übergabe an lokale karitative Einrichtungen. Letztere organisieren die kostenfreie Ausgabe an bedürftige Einzelpersonen. Die Lebensmittelbanken in Dänemark sind als gemeinnütziger Verein organisiert und arbeiten hauptsächlich mit Ehrenamtlichen. Ähnlich wie in Spanien übergeben sie die Lebensmittel an Organisationen, die sich um sozial benachteiligte Menschen kümmern.
In Schweden und Finnland gibt es kein landesweit einheitliches System, sonderns teils lokale Initiativen in den größeren Städten, oder die Nahrungsmittelhilfe wird von kirchlichen Einrichtungen bzw. dem finnischen Roten Kreuz organisiert.

Armut in nüchternen Zahlen

„Gut ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht!“ 17,3 Mio. Betroffene gab es in Deutschland im Jahr 2022. 14,7 % der Bevölkerung waren armutsgefährdet, 6,1 % waren von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen, 9,7 % der Menschen lebten in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung [4].
Auf „erschreckend hohem Niveau“ verblieb die Armut in Deutschland auch im Jahr 2023, wie der Paritätische Gesamtverband als Reaktion auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes feststellt. Zwar sei ein markanter Rückgang bei der Kinderarmut feststellbar, zugleich sei aber eine starke Zunahme der Altersarmut zu verzeichnen [5].
Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) sieht Ernährungsarmut in Deutschland als „ein vernachlässigtes Problem, das politisches Handeln erfordert!“ [6].

Literatur



Den vollständigen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2025 auf Seite M113.

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