Editorial 03/12: Reizend

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler
Herausgeber

Lebensmittel-Allergiker kennen die Nöte und Möglichkeiten, die man heute bei funktionellen Darmbeschwerden hat. Noch bis in die 1970er Jahre waren die Kreuzreaktionen bei pollenassoziierter Allergie in der medizinischen Praxis unbekannt und die Ärzte sprachen von ihren therapieresistenten Sorgenkindern.

Der Verzicht auf bestimmte rohe Früchte und Gemüse (u. a. Karotten) beendet heute diese ‚Leiden an Darm und Haut‘ schlagartig. Mit solchen Einschränkungen kann man durchaus ein unproblematisches Leben führen – was bei manch anderen Allergien (z. B. gegen Erdnüsse) schwieriger ist. Dank der heutigen diagnostischen Möglichkeiten bekommt man auch Darmbeschwerden verursachende Unverträglichkeiten wie Laktose-Intoleranz und Fruktose-Malabsorption in den Griff.

Die Laktose-Intoleranz betrifft v. a. Menschen, die nicht dem ‚Kaukasischen Typ‘ angehören. Daher sind in Deutschland besonders auch Menschen mit Migrations-Hintergrund betroffen. Darauf sollte man deutlicher hinweisen. Für nicht Betroffene hat die Laktose auch Vorteile: Sie ist weniger osmotisch wirksam als ihre zwei Bausteine, resorptionsfördernd (z. B. für Kalzium) und manche bezeichnen sie als mild wirksamen Ballaststoff.

Bei der Fruktose-Malabsorption sollte man besonders auf den Obstverzehr achten und auf den Konsum gesüßter Getränke. Im letzteren Fall ist weniger der prozentuale Anteil der Fruktose sondern mehr die absolute Aufnahmemenge der Getränke bedeutsam. Die Devise sollte somit sein, laktose- bzw. fruktosearme Produkte (entweder von Natur aus oder entsprechend reduziert) da, wo nötig zu propagieren. Für alle Konsumenten wäre eine angemessene Information sehr nützlich und v. a. eine klare Kennzeichnung, da sich Laktose und Fruktose in vielen Lebensmitteln „verstecken“ – auch da, wo man sie oft nicht vermutet.

Man sieht, mit Ernährungsmaßnahmen kann man viel erreichen. Dies nehme ich auch für die im Beitrag ab Seite 156 näher beschriebenen anderen Formen des Reizdarm-Komplexes an, auch wenn die Sachlage hier schwieriger ist. Grundsätzlich sollte man es aus meiner Sicht immer zuerst mit diätetischen Maßnahmen versuchen, bevor man zu Medikamenten greift, die oft nur Symptome mildern. Details dazu erfahren sie im Interview ab Seite 162. Nicht vergessen werden sollte im Zusammenhang mit dem Reizdarmsyndrom auch eine psychologische Komponente. Doch dies wäre eine andere Geschichte.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Helmut Erbersdobler

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