Nachschlag: Shrinkflation und andere Tricks

Der inflationäre Anstieg der Rohstoff-, Energie- und Logistikkosten betrifft unsere Lebensmittel bekanntlich besonders hart und verlangt von Produzenten und Handel zwar drastische, aber für die KundInnen möglichst unsichtbare Gegenmaßnahmen. Denn bei VerbraucherInnen kommt ein sichtbarer Preisanstieg bei Lebensmitteln nie besonders gut an. Dies gilt um so mehr in Zeiten, in denen viele Menschen aufgrund geringerer Kaufkraft den Gürtel enger schnallen und notgedrungen sparsamer wirtschaften (müssen). Schließlich scheinen sich die Lebensmittelpreise als unverrückbare Größen tief in unser Gedächtnis eingebrannt zu haben und wehe dem Händler, der es wagt an der Preisschraube unseres klassischen Wohlstandssymbols „Butter“ zu drehen.

Derzeit wären entsprechende Preiserhöhungen eigentlich unumgänglich, wenn die Anbieter keine Gewinneinbußen hinnehmen wollen. Zugleich wollen sie die KundInnen aber auch nicht an andere Marken oder gar alternative Produkte verlieren. In Werbeprospekten springen uns aber wie eh und je die Aktions- und preisgesenkten XXL-Sparangebote mit Locküberschriften wie „Spar dich glücklich“oder „MEHR SPAR€N bei uns“ ins Auge. Bei einem flüchtigen Blick dürften sich die 2023er kaum von den 2021er Prospekten unterscheiden. Es kann der Eindruck entstehen, die vom Statistischen Bundesamt für das Jahr 2022 über alle Lebensmittelgruppen hinweg amtlich festgestellte Teuerung von über 20 % betreffe die eigenen Angebote nicht. Bei VerbraucherInnen soll gar nicht erst das Gefühl aufkommen: „Hier ist es teuer“.
Um Kosten einzusparen und sichtbare Preiserhöhungen am Supermarktregal zu vermeiden, steht den Akteuren glücklicherweise ein Bündel sehr wirksamer Marktinstrumente – um nicht zu sagen Tricks – zur Verfügung. Hierzu zählen u. a. die Reduzierung der Füllmenge in der gewohnten Verpackung, der klammheimliche Austausch von höherwertigen durch billigere Zutaten oder die Einführung einer Light-Variante, die zwar weniger Fett und Zucker, aber auch weniger Produkt enthält. Schließlich ist wissenschaftlich gut belegt, dass VerbraucherInnen vor dem Hintergrund der grundsätzlich stark preisgetriebenen Nachfrage nach Lebensmitteln auf eine Preiserhöhung deutlich sensibler reagieren als auf eine Reduzierung des Inhalts. Wenn also die Packung oder der Inhalt schrumpfen, fällt dies weniger auf als ein höherer Preis.
Mittlerweile schwächt sich der Anstieg der Lebensmittelpreise zwar ab, es ist aber fraglich, ob der Markt darauf mit einer Entschrumpfung antworten wird. Um eine Shrinkflation insbesondere bei abgepackten Lebensmitteln zu erkennen, kann ein vergleichender Blick auf die ab Mai 2022 verpflichtend anzugebenden Grundpreise (= Preis pro kg) sehr hilfreich sein.

Ihr Helmut Heseker



Den Nachschlag finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2023 auf Seite M264.

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