Editorial 05/05: 50 Jahre BLL

Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerIn der heutigen Zeit, in der auf dem Gebiet der Ernährung fast täglich neue Heilslehren und Wunderkuren angepriesen werden, sind Institutionen, die verlässlich ihren Standpunkt vertreten, besonders wichtig. Das gilt auf der Verbraucherseite, in der Wissenschaft, aber durchaus auch in der Wirtschaft. Zu letzterer zählt der Bund für Lebensmittelrecht und -kunde e. V. , der kürzlich im Rahmen der Jahrestagung 2005 sein 50-jähriges Bestehen feierte. Herausgeber und Redaktion der Ernährungs-Umschau gratulieren herzlich.

Der BLL galt und gilt als der wissenschaftlich ausgerichtete Dachverband der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland – selbstverständlich Partei ergreifend, aber immer seriös. Seine Hauptaufgabe ist es, Kontakte zur Politik herzustellen, zu pflegen und bei der Entwicklung des Lebensmittelrechts die Interessen der Wirtschaft konstruktiv einzubringen. Dazu wird der Dialog mit der Wissenschaft gepflegt, denn häufig sind wissenschaftliche Fakten entscheidend für die Argumentation. Die Wissenschaftler wiederum profitieren vom Praxisbezug und erhalten Einblicke in die technischen Hintergründe der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung.

Nicht zuletzt können daraus gemeinsame Projekte entstehen, die teilweise sogar öffentlich gefördert werden (sog. Gemeinschaftsforschung). Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des BLL seit über 30Jahren konnte ich immer feststellen, dass es möglich ist, eigene, auch konträre Ansichten zu vertreten und damit im Diskurs zur Entwicklung der Lebensmittelbranche beizutragen.

Wie Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Rede zum 50-jährigen Jubiläum anmerkte, hat der BLL maßgeblich dazu beigetragen, „dass die Lebensmittel in Deutschland zu den sichersten der Welt gehören“. Es waren nämlich nicht nur die Lebensmittelkontrollen und entsprechende Gesetze, die zur Erreichung unseres hohen Sicherheitsstandards beitrugen, wie der Laie glauben mag. Es waren ganz wesentlich auch die „Selbstreinigungskräfte“ innerhalb der Wirtschaft. Hier sei nur erinnert an den freiwilligen Verzicht auf manchen Zusatzstoff (z. B. bestimmte Farbstoffe), bevor der Gesetzgeber Maßnahmen ergriff, oder an die Einführung schonender Herstellungsprozesse. Sehr viel davon geschah im Verborgenen und vom Verbraucher unbemerkt.

Bei den vielfältigen und häufig gegenläufigen Interessen der einzelnen Lebensmittelbranchen ist es für den BLL oft nicht leicht, Einigkeit herzustellen und eine gemeinsame Richtung zu finden. Auch im Verbund mit der Wissenschaft ließen sich nicht alle Vorhaben realisieren. So scheiterte z. B. 1994 die „Nationale Ernährungskampagne“, eine Initiative gemeinsam mit der DGE, dem Bundesministerium für Gesundheit und anderen Gruppen zum Thema Fett und Energiereduktion in unserer Nahrung. Auch im politischen Bereich gehen – unabhängig von der jeweiligen Regierung – nicht immer alle Wünsche in Erfüllung.

Um so erfreulicher ist es, dass nun mit der „Plattform Ernährung und Bewegung“ eine europaweit beispielhafte Initiative etabliert wurde. Die Tatsache, dass es auf europäischer Ebene nun ebenfalls eine Plattform zur Prävention von Übergewicht gibt, kann schon als erster Erfolg gewertet werden. Wir wünschen der Aktion weiterhin alles Gute.

Wer die Editorials der letzten Monate gelesen hat, wird viele Wünsche an die Lebensmittelwirtschaft entdeckt haben. Wir sind realistisch und akzeptieren, dass der BLL, selbst wenn er wollte, aus den oben genannten Gründen nicht alle durchsetzen kann. Die lange Diskussion um die Kennzeichnung der wichtigsten Lebensmittelallergene auf freiwilliger Basis, wie es in Großbritannien schon seit Jahren geschieht, verdeutlicht die Problematik. Nun wird diese Frage durch den Gesetzgeber in der neuen Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung geregelt.

Wir wünschen dem BLL zum Wohle der Verbraucher und einer florierenden deutschen Ernährungswirtschaft weiterhin eine erfolgreiche Arbeit, die der regionalen Vielfalt der Ernährungsgewohnheiten gerecht wird, eine gesunde Ernährungsweise ermöglicht und das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensmittel stärkt.

Ihr

Helmut Erbersdobler

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