Nachschlag: Über Landpomeranzen und eingefleischte Vegetarier

Sie haben vielleicht unsere Kurzmeldung „Bier auf Wein, das lass sein“ (Heft 5/2019, M258) und die Replik einer historisch versierten Leserin (M321 in diesem Heft) gesehen. Es kommt gar nicht so selten vor, dass vielfach gehörte, aber unreflektiert verwendete Redewendungen und Lebensweisheiten zwar klug, gebildet und kultiviert klingen mögen, aber mit deren ursprünglicher Bedeutung nur noch wenig zu tun haben.

Hat sich aber eine falsche Bedeutung eingeschlichen, wurde die Redewendung verdreht oder ist die Herkunft – nicht selten aus dem frühen Mittelalter stammend – unbekannt, dann ist man ziemlich schnell ins Fettnäpfchen getreten und hat sich nachhaltig blamiert.

Apropos „Fettnäpfchen“: Wer weiß denn noch, dass dasselbe in alten Bauernhäusern unterhalb der Räucherkammer neben dem Herd stand, um aus Schinken und Speck heruntertropfendes Fett aufzufangen? Bei schwächlichem Licht zu nächtlicher Stunde konnte es leicht passieren, dass man in das Nämliche trat. Und wenn ein Zacken zugelegt wurde, war nicht etwa ein Schlussspurt gemeint, sondern die Köchin hängte in einer Vorrichtung über der offenen Feuerstelle den Topf einen Zacken tiefer und somit näher ans Feuer.

Wie oft wurden wir schon bei einem Ausflug mit unseren drei Kindern gefragt, ob wir mit Kind und Kegel unterwegs seien, was ich stets mit Nachdruck verneinte. Werden doch seit dem frühen Mittelalter mit Kegel die ehemals rechtlosen, unehelichen Kinder bezeichnet. Und bei einem kürzlich stattgefundenen Ausflug nach München meinte eine mitreisende, überaus elegante Freundin freudestrahlend: „Ich als Landpomeranze kenne mich hier überhaupt nicht aus.“ Ihr war offenbar gar nicht bewusst, dass mit Pomeranze gemeinhin ein junges, unbedarftes Mädchen vom Land mit roten Wangen und eher grobem Benehmen bezeichnet wird.

Manchmal erntet auch der dickste Bauer die dümmsten Kartoffeln – oder lautet es umgekehrt? Zweimal überlegen musste ich auch, als sich neulich mir gegenüber jemand als „eingefleischter Vegetarier“ outete und mit dem Oxymoron zwei sich gegenseitig ausschließende Begriffe in einem Terminus verwendete. Wenn der Gegenüber der plattdeutschen Sprache noch mächtig ist, wird er auch erkennen, dass die Redewendung „Wenn du deinen Teller leer isst, gibt es morgen gutes Wetter“ auf einem Übersetzungsfehler beruht. Das Original: „Wenn du dien Teller leer ittst, dann gifft dat morgen goodes wedder“ bedeutet nämlich korrekt übersetzt etwas anderes: „Wenn du deinen Teller leer isst, dann gibt es morgen wieder etwas Gutes“ … und es müssen nicht Reste vom Vortag aufgewärmt werden.

Um derartigen Fettnäpfen aus dem Weg zu gehen, hilft vielleicht ein vorheriger analoger Blick in den guten alten Duden der Redensarten.

Ihr Helmut Heseker



Diesen Artikel finden Sie wie auch die Vorschau in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2019 auf Seite M376.

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