Editorial 07/05: Schlacken
- 12.07.2005
- Print-Artikel
- Redaktion
Prof.Dr.Helmut ErbersdoblerNach Meyers Konversationslexikon von 1897 sind Schlacken „Glas oder Email artige Abfälle der meisten Schmelzprozesse“. Neue Lexika beziehen auch Verbrennungsrückstände und Stoffe aus unvollständiger Verbrennung mit ein.
In der Ernährung könnte man unter Schlacken alles „Unverbrennbare“ verstehen, z. B. unverwertbare Mineralstoffe wie Silikate oder Aluminate, aber auch Purine , Kreatin/Kreatinin, über den Bedarf hinaus zugeführte Vitamine, unverwertete Ballaststoffbestandteile, Pestizide, Umweltgifte und andere Substanzen der Entgiftung. Es werden aber auch die „Verbrennungsrückstände“ des Stoffwechsels, wie Harnstoff, CO2 usw. dazu gezählt.
Ebenso fallen darunter Verbindungen einer unvollständigen Verbrennung, wie Ketonkörper, oder Reaktionsprodukte, die Bräunungsprodukte der Maillard-Umsetzung. Zur letzteren Gruppe gehören auch die Melanoidine, denen ein Beitrag im vorliegenden Heft (S. 260 ff.) gewidmet ist. Produkte der frühen und, wie im Falle der Melanoidine, der späten Maillard-Reaktion nehmen wir mit der Nahrung auf. Sie entstehen aber auch durch Glykosylierungsvorgänge im Körper, besonders in den Proteinen mit etwas längerer Lebensdauer.
Ein Beispiel ist das Hämoglobin, das an der Aminogruppe des endständigen Valins glykosyliert ist (HbA1c). Aber nicht nur endständige Aminosäuren, sondern auch solche mit zusätzlichen Aminogruppen, wie Lysin und Arginin, reagieren unter biologischen Bedingungen (z. B. 37 °C Körpertemperatur) mit den vorhandenen reduzierenden Zuckern. So ist der Knorpel am Brustbein eines Säuglings hell, während er bei einem 90-Jährigen durch die endogene Melanoidinbildung deutlich gebräunt ist.
Glücklicherweise werden die meisten natürlich entstehenden Schlacken – vorausgesetzt, sie sind nicht lipophil – kaum gespeichert. Und wenn doch, dann nur kurzfristig und zumeist ohne gesundheitliche Konsequenzen, sieht man von krankhaften Zuständen wie der Gicht ab. Anders verhält es sich allerdings bei den häufig lipophilen Umweltgiften (PCB, Dioxine, chlorierte Kohlenwasserstoffe u. a.). Auf diese Problematik soll hier aber nicht eingegangen werden.
Wie kann und soll man nun "entschlacken"? Einfach hungern, das geht nicht. Denn gerade im Hungerstoffwechsel entstehen besonders viele Schlacken, z. B. Purine und Ketonkörper. Nur Lipophile Substanzen werden aus dem abschmelzenden Fettgewebe freigesetzt und dann ausgeschieden oder abgebaut. Die endogene Bildung von Melanoidinen kann man niedrig halten, indem man auf seinen Blutzuckerwert (Kontrolle des Diabetes) und ggf. auf einen niedrigen glykämischen Index der Lebensmittel achtet. – Übrigens sollte man diesen Aspekt des glykämischen Index auch einmal untersuchen. – Sinnvoll ist es auf jeden Fall, viel zu trinken, am besten Trinkwasser, denn das ist nahezu schlackenfrei. Hilfreich wäre es auch, die Nahrung nur noch zu kochen und nicht mehr zu braten oder zu backen sowie nur hoch gereinigte Lebensmittel zu verzehren.
Dass dies kaum praktikabel ist, dürfte sofort klar sein, zumal sich manche „Schlacken“, wie die phenolischen sekundären Pflanzenstoffe, heute mehr und mehr als gesundheitsförderlich herausstellen. Auch die Melanoidine haben einige positive Eigenschaften, wie in dem oben genannten Artikel nachzulesen ist. Trotzdem sollte man nicht alle Speisen braten, grillen, frittieren oder backen. Denn es gibt ja noch weitere Reaktionsprodukte, die es zu minimieren gilt, wie beispielsweise das Acrylamid oder die heterozyklischen Amine.
Da ist es erfreulich, dass in Restaurants und Haushalten wieder häufiger Fleisch oder Fisch schmackhaft bei relativ niedrigen Temperaturen gegart wird. Wollen wir hoffen, dass die dabei entstehenden zarten Aromen nicht durch zu deftiges Würzen und Aromatisieren überdeckt werden.
In diesem Sinne, denken Sie vor dem Grillen im Garten auch einmal an Alternativen. Kochen kann man auch im Freien. Ein Fondue chinoise z. B. hat zudem den Vorteil, dass man sich entspannt gegenüber sitzt und keiner ständig aufstehen muss, um auf die Glut, das Grillgut oder die Rauchentwicklung und die Holzkohle-Schlacken zu achten.
Ihr
Helmut Erbersdobler