Currywurst-Leaks

Bislang dachte ich, aufrüttelnde Enthüllungen und „durchgestochene“ Informationen, die medial große Wellen schlagen, wären eher etwas aus dem Bereich der Offshore-Steuer-Oasen („Panama-Papers“) oder Geheimdienst-Insider*innen (Edward Snowden, Chelsea Manning). Nichts da, auch die Community der Ernährungsfachkräfte braucht dringend Schutz für Whistleblower*innen!

Da hat doch der Schleswig-Holsteinsche Bauernverband – sicher nach wochenlangen Recherchen investigativer Journalisten – via Twitter und Youtube1 enthüllt: „Nun hat die DGE ihre Empfehlungen auf einen maximalen Fleischkonsum von 70 Gramm pro Woche reduziert.“2
Gut, dass da von Interessenkonflikten verdachtsfreie Akteurinnen und Akteure (Milchindustrie-Verband, Zentralverband der Geflügelwirtschaft, B:::-Zeitung) für die im Umgang mit solch großen Zahlen ungeübten Bürgerinnen und Bürger nachrechen, dass das nur für eine Currywurst pro Monat reicht und erheblich weniger als ein ganzes Huhn pro Monat3 ist! Und ein süddeutscher Ministerpräsident im Wahlkampf-Modus (Name liegt der Redaktion vor), dessen unabhängige Staatsanwaltschaft erst unlängst juristisch fragwürdig4 gegen Klimaaktivisten vorging, sieht durch Ernährungsempfehlungen gar ernstlich die Demokratie in Gefahr.
Nach meinem Nachschlag im August 20205 wollte ich eigentlich nie wieder etwas über die wundersame Verbindung von Saure-Gurken-Zeit, Politik und Landwirtschaftsbranche schreiben. Aber angesichts solcher, fast synchron von zahlreichen – auch „Qualitäts“medien – gehypten populistischen Aufgeregtheiten vielleicht doch der Hinweis, die wirklichen Herausforderungen wie Klimaschutz, Public Health und soziale Gerechtigkeit (weltweit) nicht aus dem Blick zu verlieren: Herbert Grönemeyer sang (1982) zwar: „Wat schönret gibt et nich‘ als wie Currywurst“.
Er sang aber (1984) auch: „Wir warten immer zu lange, die Zeit rennt weg, wir müssen‘s angehen … Jetzt oder nie“. Vielleicht meinte er damals schon die Planetary Health Diet?

Ihr Udo Maid-Kohnert

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1 „Mit Gesundheit wenig zu tun“ www.youtube.com/watch?v=E6cxCEHqt2g 
2 Richtigstellung: Laut DGE ist zwar die öffentliche Kommentierung zur Überarbeitung und Weiterentwicklung der lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen für Deutschland beendet, die Auswertungen oder gar darauf basierende neue Empfehlungen liegen aber noch nicht vor.
3 Geschätzt mehr als 900 Hühner verzehren deutsche Bürgerinnen und Bürger im Laufe ihres Lebens im Durchschnitt. Aktuelle Zahlen: 15,6 Kilogramm Hühnerfleisch pro Kopf und Jahr. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/987874/umfrage/pro-kopfkonsum-von-gefluegelfleisch-nach-arten-in-deutschland/  
4 www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/razzia-letzte-generation-100.html
5 www.ernaehrungs-umschau.de/print-artikel/13-08-2020-saure-gurken-zeit/ 



Den Nachschlag finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2023 auf Seite M464.

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