Editorial 8/2022: Ernährung in Krisenzeiten

Jetzt, in einer Zeit mit hohen Teuerungsraten und drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten ist guter Rat gefragt, um bei gesunkenem verfügbaren Einkommen und knapper gewordenem Budget für Essen und Trinken den eigenen Energiebedarf und den der Familie zu befriedigen. Dabei sind es nicht gestiegene Preise für Delikatessen und Luxuslebensmittel, die uns Sorgen bereiten, sondern die Preissprünge bei vielen unserer Grundnahrungsmittel, bei Mehl, Brot und Nudeln, bei Sonnenblumen- und Rapsöl, bei vielen Gemüse- und Obstarten, bei Molkereiprodukten und Eiern oder bei Fleisch und Fleischwaren. Laut optimistischer Prognosen bleiben die Preise hoch, pessimistischere gehen von einem weiteren Anstieg aus.

Erste Anpassungen im Konsumverhalten sind bereits eingetreten oder absehbar. Preissensible VerbraucherInnen kaufen jetzt eher noch mehr im Discounter, weniger im Fachhandel und meiden den teureren Bioladen. Da Lebensmittel mit hoher Energiedichte (kcal/100 g) relativ gesehen (Preis/100 kcal) durchweg billiger sind als Lebensmittel mit geringer Energiedichte, ist zu erwarten, dass bei geringem Lebensmittelbudget Erstere noch stärker konsumiert werden, als dies bereits vorher oft der Fall war. Da gut dokumentiert ist, dass die Entwicklung von Adipositas in allen Altersklassen einem ausgeprägten sozioökonomischen Gradienten unterliegt und bei bestehendem Geldmangel vergleichsweise teures Frischobst und -gemüse eher gemieden wird, dürften die aktuellen Preisturbulenzen die Adipositaspandemie weiter befeuern und nicht zu einem Purzeln überflüssiger Kilos führen. Bereits während der COVID-19-Pandemie hatten sich die langen Lockdowns mit der einhergehenden Abnahme der körperlichen Aktivität zu einem gewichtigen Treiber unerwünschter Körpergewichtsanstiege erwiesen.
Die einen fordern daher eine Anpassung der Regelsätze für Hartz 4-EmpfängerInnen, andere verlangen eine Abschaffung der Mehrwertsteuer für Gemüse und Obst und eine Anhebung für ungesunde, energiedichte Lebensmittel.
Bevor die Ernährungspolitik das Thema zu Ende diskutiert hat, dürfte es schon jetzt beim Einkauf hilfreich sein, genau auf die Preise zu schauen: Bspw. sind Karotten und Kohlarten oft preiswerter als Tomaten und Paprika, proteinreiche Hülsenfrüchte günstiger als Fleischprodukte. Verbraucherzentralen und auch die Wochenzeitung DIE ZEIT geben viele weitere Tipps, wie man/frau sich auch in Krisenzeiten gesund und günstig ernähren kann. Und noch eins: Horten und vermehrte Vorratshaltung sind nur dann sinnvoll, wenn dies nicht zu einem vermehrten Wegwerfen von Lebensmitteln führt.

Ihr Helmut Heseker



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2022 auf Seite M401.

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